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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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knochige Hand entgegen. Um das Handgelenk herum waren Spuren eines Ekzems zu erkennen. Ich ergriff sie und versuchte, nicht zu schaudern, weil sie sich so kalt anfühlte.
    Â»Miss Hamilton, Stephen Renney. Ich bin Ihnen ja so dankbar. Ich habe gerade den Detectives erklärt, dass ich um der Vollständigkeit willen wirklich –«
    Die Tür öffnete sich abermals, und ein Bettenfahrer schob einen Rollwagen herein. Wir mussten uns alle an die Wand drücken, um ihn vorbeizulassen. Gifford meldete sich zu Wort, und jetzt, ohne die Anspannung des Operationssaals, stellte ich fest, dass er eine von diesen tiefen, gebildeten Hochlandstimmen hatte, die, ehe ich hierhergezogen war und sie ständig zu hören bekam, immer ein Kribbeln in meine Kniekehlen und ein Lächeln auf mein Gesicht gezaubert hatten. So eine »Ach, sprich doch weiter«-Stimme.
    Â»Warum gehen wir nicht kurz in Ihr Büro, Stephen?«
    Stephen Renneys Büro war klein, fensterlos und absurd ordentlich. Mehrere Bleistift- und Tintenzeichnungen hingen an den Wänden. Zwei orangefarbene Plastikstühle standen dicht nebeneinander vor seinem Schreibtisch. Er deutete mit einer Geste darauf, wobei sein Blick von DS Tulloch zu mir und dann wieder zu der Polizeibeamtin wanderte. Sie schüttelte den Kopf. Ich blieb ebenfalls stehen. Mit einem verkniffenen Lächeln nahm Renney auf seinem eigenen Stuhl hinter dem Schreibtisch Platz.
    Â»Das ist absolut unangebracht«, beschwerte sich Tulloch bei ihrem Inspector und deutete auf mich. Wahrscheinlich hatte sie recht, aber ich kann es nicht leiden, als »unangebracht« bezeichnet zu werden; darauf reagiere ich meistens gereizt.

    Â»Miss Hamilton steht doch wohl nicht unter Verdacht, oder?«, meinte Gifford und lächelte auf mich herab. Ich war überrascht und fasziniert zu sehen, dass er ungewöhnlich lange Haare hatte, besonders für einen Chefarzt der Chirurgie. Als er sich unter dem grellen elektrischen Licht über Stephen Renneys Schreibtisch beugte, schimmerte es goldblond, so wie ich es mir auch im Sonnenschein vorstellte. Seine Wimpern und Augenbrauen waren von derselben hellen Farbe und machten mit einem Schlag alles zunichte, was er an konventionellem gutem Aussehen in Anspruch nehmen konnte.
    Â»Sie ist doch erst seit sechs Monaten hier«, fuhr er fort. »Nach dem, was Sie mir gesagt haben, ist unsere Freundin da nebenan auf dem besten Weg ins British Museum. Was meinst du, Andy? Bronzezeit? Eisenzeit?« Er lächelte nicht besonders liebenswürdig, während er das sagte. Ich hatte das Gefühl, dass Andy Dunn die Bronzezeit nicht von der Steinzeit unterscheiden konnte, und dass Gifford das wusste.
    Â»Also, eigentlich …«, setzte Renney an, ziemlich leise, als hätte er Angst vor Gifford.
    Â»Irgendwas in der Richtung«, pflichtete Dunn meinem Boss bei, und mir fiel auf, wie ähnlich er und Gifford sich sahen: hünenhafte, hellhäutige, ziemlich hässliche blonde Männer. Außerdem kam mir der Gedanke, wie viele Männer von den Shetlandinseln ich aufzählen konnte, die Ähnlichkeit mit den beiden hatten. Es schien, als wäre der Genpool der Inseln seit der Invasion der Norweger mehr oder weniger unbehelligt geblieben.
    Â»Wär nicht die Erste, die hier oben gefunden wird«, bemerkte Dunn gerade. »Torfmoore sind berüchtigt für so was. Ich erinnere mich da an eine Leiche in der Nähe von Manchester, in den Achtzigern. Die Polizei hat sie als eine Frau identifiziert, von der sie glaubten, dass ihr Mann sie vor zwanzig Jahren ermordet hatte. Sie haben ihn festgenommen, und er hat gestanden. Nur hat sich dann rausgestellt, dass die Leiche zweitausend Jahre alt war. Und noch dazu ein Kerl.«
    Sergeant Tullochs Blick zuckte von einem Mann zum anderen.

    Â»Aber ich kann –«, versuchte es Renney.
    Â»Wir haben uns mal den Tollund-Mann angeschaut«, sagte Gifford. »Erinnerst du dich noch an die Klassenreise nach Dänemark, Andy, in der Sechsten? Absolut unbeschreiblich. Stammte aus der vorrömischen Eisenzeit, aber man konnte die Stoppeln an seinem Kinn sehen und die Runzeln in seinem Gesicht, alles. Perfekt erhalten. Sogar der Mageninhalt war noch vorhanden.«
    Es überraschte mich nicht im Entferntesten, dass Gifford und Dunn zusammen zur Schule gegangen waren. Die Shetlands sind klein. Ich hatte mich längst daran gewöhnt, dass hier jeder jeden

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