Todesopfer
was meinen Sie mit âºMiss Hamilton?â¹Â«
Ich seufzte. »Ich bin Fachärztin. Wir werden mit Mr. und Miss angeredet. Nicht mit dem Doktortitel. Und Guthrie ist der Name meines Mannes. Ich bin unter meinem eigenen gemeldet.«
»Ich werde versuchen, mir das zu merken. In der Zwischenzeit müssen wir etwas wegen des Pferdes unternehmen.«
Sie erhob sich. Mein Herz schlug schneller.
»Wir müssen den Kadaver beseitigen«, fuhr sie fort. »So schnell wie möglich.«
Ich starrte sie an.
»Heute noch«, betonte sie, als ich nicht reagierte.
»Ich begrabe ihn, sobald Sie fertig sind«, sagte ich so entschieden, wie es mir nur möglich war.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das wird nicht gehen. Das Spurensicherungsteam vom Festland wird bald hier sein. Sie werden die ganze Gegend absuchen müssen. Vielleicht sind wir wochenlang hier. Wir können doch nicht um ihr Pferd herumarbeiten.«
Ich glaube, es war ihre Wortwahl, akkurat, aber unsensibel, die jene feste Kugel in meiner Brust auftauchen lieÃ, diesen Klumpen, der mir sagt, dass ich stinksauer bin und wirklich aufpassen muss, was ich in den nächsten paar Minuten sage.
»Und wie Ihnen sicher bekannt ist, ist es schon seit ein paar Jahren illegal, sein Pferd selbst zu begraben«, belehrte sie mich weiter. Ich funkelte sie wütend an. Natürlich war mir das verdammt noch mal bekannt, meine Mutter leitete seit dreiÃig Jahren eine Reitschule. Doch ich war nicht bereit, mit ihr über die horrenden Kosten dafür zu diskutieren, hier auf den Shetlands ein totes Pferd entsorgen zu lassen. Ebenso wenig würde ich ihr von meinem (zugegebenermaÃen höchst sentimentalem) Bedürfnis erzählen, Jamie in meiner Nähe haben zu wollen.
Tulloch schaute sich um. Sie entdeckte das Telefon an der Wand neben dem Kühlschrank und ging darauf zu. »Möchten Sie das selbst arrangieren, oder soll ich es tun?«
Ich glaube wirklich, dass ich sie in diesem Moment vielleicht geschlagen hätte. Ich wollte schon einen Schritt auf sie zugehen, und aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Streifenpolizistin ebenfalls einen Schritt nach vorn machte, doch zum Glück für uns beide klingelte das Telefon, ehe Tulloch danach greifen konnte. Zu meinem wachsenden Ãrger nahm sie den Hörer ab und meldete sich, dann hielt sie ihn mir hin. »Für Sie«, verkündete sie.
»Was Sie nicht sagen!« Ich machte keinerlei Anstalten, ihr den Hörer abzunehmen.
Sie zog die Hand zurück. »Wollen Sie jetzt rangehen oder nicht? Hört sich wichtig an.«
Ich bedachte sie mit einem vernichtenden Blick, schnappte mir den Hörer und drehte ihr den Rücken zu. Eine Stimme, die ich noch nie gehört hatte, legte los.
»Miss Hamilton, hier ist Kenn Gifford. Wir haben hier eine achtundzwanzigjährige Patientin. SechsunddreiÃigste Schwangerschaftswoche. Ist vor etwa einer Viertelstunde mit schweren Blutungen reingekommen. Der Fötus zeigt leichte Anzeichen von intrauteriner Asphyxie.«
Ich zwang mich dazu, mich zu konzentrieren. Wer zum Teufel war Kenn Gifford? Ich konnte ihn überhaupt nicht einordnen; vielleicht einer von den Assistenzärzten oder eine Vertretung?
»Wer ist die Patientin?«, erkundigte ich mich.
Gifford antwortet nicht gleich. Ich hörte Papier rascheln. »Janet Kennedy.«
Leise fluchte ich in mich hinein. Ich hatte Janet sehr genau im Auge behalten. Sie hatte ungefähr zwanzig Kilo Ãbergewicht, eine Plazenta praevia und obendrein auch noch Blutgruppe Rhesus negativ. In sechs Tagen war ein Kaiserschnitt geplant gewesen, doch die Wehen hatten zu früh eingesetzt. Rasch schaute ich auf die Uhr. Es war Viertel nach fünf. Ich überlegte kurz.
Plazenta praevia, auch Plazentavorlagerung genannt, heiÃt, dass die Plazenta sich statt im oberen im unteren Teil des Uterus implantiert, also eingebettet hat. Sie blockiert den Ausgang für das Baby, was bedeutet, dass das Kind entweder feststeckt â keine
schöne Situation â oder gezwungen ist, die Plazenta loszureiÃen und so seine eigene Blutzufuhr zu kappen â eine noch schlimmere Situation. Placenta praevia ist eine häufige Ursache von Blutungen im zweiten und dritten Trimester und von schweren Blutungen in den letzten beiden Monaten.
Ich holte tief Luft. »Bringen Sie sie in den OP. Wir müssen mit intraoperativen Blutungen rechnen, also sagen
Weitere Kostenlose Bücher