TodesReich/Todesengel (German Edition)
Stadtkurier, Franz Schäffling vom Tagesanzeiger und den
mittlerweile nicht mehr ganz so jungen Erich Weiler vom Rhein-Journal, der
immer nervös an seine Brille griff und sie zurecht schob.
Sie
setzten sich hin - Brockmann rechts, Kowalski in der Mitte und sein junger
Kollege ganz links. Brockmann wirkte nervös und rieb seine Hände unter dem
Tisch. Kowalski war leicht angespannt, aber gefasst und er sah das Weitzeger
völlig unbeeindruckt auf seinem Stuhl saß und mit leichter Skepsis - oder war
es Mitleid? - in die Menge blickte.
Schließlich
klopfte Kowalski auf den Tisch und die Journalisten die noch standen nahmen
Platz und es kehrte Ruhe ein.
Kowalski
wartete einen Moment, bis er die ungeteilte Aufmerksamkeit hatte.
„Guten
Morgen meine Damen und Herren. Wir haben diese Pressekonferenz einberufen, weil
wir uns von der Öffentlichkeit - ihren Leserinnen und Lesern beziehungsweise
ihren Zuhörern und Zuschauern - Hinweise auf eine seit Montagmittag
verschwundenen Person erhoffen. Es handelt sich hierbei um die 15jährige Nadja
Stegner, die zuletzt am Montag, gegen 12.45 Uhr auf dem Pausenhof der
Grünwaldrealschule gesehen wurde, von wo sie den Nachhauseweg in Richtung Bergmannssiedlung
antrat. Seit diesem Zeitpunkt hat sie niemand mehr gesehen. Wir gehen davon
aus, dass sie ihren Heimweg niemals angetreten hat, beziehungsweise nicht weit
gekommen ist, da es vom Schulkomplex ab keine Spuren von ihr gibt.
Zur
Person.“
Sie
zeigten das Passfoto, das der Presse hinlänglich bekannt war und ein
Ganzkörperfoto, dass ihnen die Eltern zur Verfügung gestellt hatten.
„Zum
Zeitpunkt ihres Verschwindens trug sie eine schwarze Stoffhose, ein rosa Top, einen
hellblauen Rucksack, sowie ein nietenbesetztes Armband aus Kunstleder.“
Er
ließ die Worte einige Momente wirken, bevor er fortfuhr.
„Darüber
hinaus haben wir keine Hinweise über die Umstände ihres Verschwindens.“
Sofort
brach Unruhe im Raum aus.
„Haben
sie die Anwohner auf ihrem Schulweg befragt?“ rief jemand von hinten im Raum.
Kowalski
verdrehte unmerklich die Augen. Was dachten diese Idioten denn? Dass sie
dasaßen und Däumchen drehten und darauf warteten, dass ihnen ein Pressefutzi
sagte, was sie zu tun hatten? Er fragte den Kerl ja auch nicht, ob er seine
Quellen überprüfte, bevor er einen Artikel veröffentlichte.
„Selbstverständlich“,
antwortete er jedoch nur. Es brachte nichts die Presse gegen sich aufzubringen.
„Haben
sie Hinweise darauf, dass es sich hierbei um ein Verbrechen handeln könnte?“,
fragte ein Anderer.
„Nein“,
antwortete Kowalski und seufzte.
„Ich
sagte doch schon. Wir haben keinerlei Hinweise.“
„...aber
wir folgen derzeit einer Spur. Bitte haben sie Verständnis, dass wir derzeit
keine näheren Angaben machen können“, schaltete sich nun Brockmann ein.
Das
war gelogen! Sie hatten keine Spur. Kowalski blickte ihn schief von der Seite
an, aber Brockmann ignorierte ihn.
„Wir
haben eine Hotline eingerichtet“, fuhr er stattdessen fort. Wir bitten die
Bevölkerung um ihre Mithilfe.“ Er gab die zehnstellige, kostenfreie Nummer
durch.
„Warum
haben sie so lange gezögert, bis sie sich an die Öffentlichkeit gewandt haben“,
fragte jemand von hinten. Es wurde sofort merklich stiller. Jeder wartete auf
die Antwort. Überraschenderweise schaltete sich Steffen Weitzeger ein, der
bisher schweigend auf seinem Stuhl gesessen und die Menge beobachtet hatte.
„Wir
haben nicht gezögert, wir haben ermittelt“, sagte er rau. „Ihnen dürfte klar
sein, dass eine übereilte Maßnahme eine Kurzschlussreaktion beim Täter
hervorrufen könnte, wenn er das Gefühl hat die Kontrolle zu verlieren. Immer in
der Annahme, es handelt sich hierbei um ein Verbrechen. Auf der anderen Seite
sei darauf hingewiesen, dass in über 95 Prozent der Fälle mit Todesausgang, die
vermisste Person einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, dass zum Zeitpunkt,
an dem die Vermisstenanzeige aufgegeben wird, schon vollzogen wurde.“
Es
herrschte einen Moment völlige Stille, die Leute schienen nachzudenken.
„Wer
ist das“, zischte schließlich eine Frauenstimme durch den Raum. Weitzeger ging
nicht darauf ein und Kowalski ergriff wieder das Wort.
„Wie
auch immer. Wir bitten um ihre tatkräftige Mithilfe bei der Aufklärung dieses
Falles. Für den Moment war das alles.“
Er
erhob sich und ignorierte das ausbrechende Geprappel. Immer wenn sie dabei
waren zu gehen, hatten alle plötzlich wieder 1000 Fragen.
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