Todesspiel
lang hatte Rubens den faden, unverwechselbaren Geruch nach frischem Kautschukharz in der Nase. Es war, als würde man an einem Gummiband schnüffeln. Er hatte das Gebäude fast schon erreicht. Jetzt sah er die Hunde, vier Rottweiler, die neben dem Lagerhaus angekettet waren. Als er näher kam, wollten sie ihn anfallen, wurden jedoch von den Ketten zurückgerissen. Vor Frustration drehten sie völlig durch. Sie waren Teil von Cizinios Alarmsystem. Mit ihrem Gebell kündigten sie einen Eindringling an. Wenn sie verstummten, würde Cizinio wissen, dass das Gelände gestürmt wurde und die Hunde nicht mehr lebten, denn nur so konnte man sie zum Schweigen bringen.
»Siehst du die Tür, Rubens? Guck auf den Boden. An der Wand liegt ein Ziegelstein. Ein roter Ziegelstein – siehst du ihn? Heb ihn auf. Genau. Siehst du den Schlüssel? Nimm den Schlüssel mit rein und schließ von innen wieder ab.«
Cizinio klang ruhig, und doch lag Erregung in seiner Stimme.
»Ich werde dich töten, Cizinio.«
»Was passiert ist, ist deine Schuld, nicht meine.«
Rubens riss die Tür auf. Quietschend fiel sie hinter ihm ins Schloss. Er war im Innern des Gebäudes, grelles Licht blendete ihn. Er drehte den Kopf zur Seite und sah eine Reihe von Handgranaten, die mit Drähten an Ösen neben der Tür verbunden waren. Cizinio forderte ihn auf, die Drähte so zu spannen, dass die Granaten explodieren würden, wenn die Tür wieder geöffnet wurde. Da Cizinio ihn genau beobachtete, befolgte Rubens seine Anweisungen. Dann sah er sich um. Er befand sich in einem riesigen quadratischen Raum, in dem Holzkisten und Pappkartons so aufgestapelt standen, dass sich zwischen ihnen lange Gänge bildeten.
Rubens stand da und wartete auf weitere Anweisungen. Oder einen Schuss.
»Du und ich, Rubens. Ganz wie in alten Zeiten.« »Sie hat dir nichts getan, Cizinio.«
»Siehst du die Gänge, Rubens? Es sind drei. Geh den rechten Gang bis nach hinten durch.«
Er hatte das Gefühl, Schluchzen zu hören. Es kam durch das Handy und hallte auch schwach in den Gängen wider.
Rubens machte sich auf den Weg.
Es war eine lange Reihe. Die Kisten waren zu beiden Seiten höher als mannshoch gestapelt. In regelmäßigen Abständen hingen Glühbirnen von der Decke, aber zum Ende hin lag der Gang im Dunkeln; entweder war die Glühbirne dort kaputt oder sie war entfernt worden.
Die Kisten waren beschriftet: »Wasserpumpen«, »Dosensuppen«, »Schaufeln«, »Desinfektionsmittel«, »Antibiotika«, »Möbel«, »Kleidung«, »Malbücher«, »Vitamin C«.
In diesem Lagerhaus waren Hilfsgüter gelagert, wenn die Etiketten stimmten.
Aber vielleicht waren die Kisten auch leer, genauso wie die im Dschungel. Auch auf diesen Kisten prangte das Nestor-Logo. Vielleicht dienten sie Jack Nestor ebenfalls zur Unterschlagung von Geldern.
Auf einer Kiste in einem niedrigen Stapel entdeckte Rubens ein schwarzes Brecheisen. Als er es im Vorübergehen ergriff, ertönte aus seinem Handy Cizinios Stimme. »Aha, du bewaffnest dich, Rubens?«
Rubens legte das Brecheisen wieder weg.
»Nein! Nimm es nur! Ich habe nichts dagegen!«
Rubens nahm es wieder an sich und folgte dem Gang bis an das dunkle Ende.
Cizinio sagte: »Ich werde dir jetzt ein paar interessante Dinge über Jack Nestor erzählen. Falls du überlebst, gib sie weiter. Falls nicht, werde ich es tun.«
Rubens bemerkte eine kleine Lücke zwischen den Kisten weiter vorne rechts. Die Lücke bot gerade genug Platz für einen Mann, der sich dort verstecken und ihm auflauern konnte.
»Hey, Rubens, du hörst mir nicht aufmerksam genug zu! Ich verstecke mich nicht in der Lücke. Ich befinde mich im Büro, wo ich die Fernsehbildschirme und den Zirkus da draußen im Auge behalten kann.«
Dennoch verlangsamte Rubens vor der Lücke seine Schritte. Sie war leer. Es waren noch sieben Meter bis zum Ende des Gangs, das im Dunkeln lag.
»Rubens, ich bin bloß ein Leibwächter und kann nur hier und dort etwas aufschnappen. Aber wenn man die richtigen Details kennt, weiß man, wo man anfangen muss zu suchen, stimmt’s? Also, bist du so weit? Jack gehören die Firmen, die bei uns in Brasilien die Bauprojekte durchführen: den Damm, den Flughafen, Straßen. Es gibt einen General namens Teadoro Morgenthau, den Jack regelmäßig in São Paulo aufsucht. Er steckt mit drin. Ich glaube, dass sehr viel von dem Geld, das für Brasilien gedacht ist, nur auf dem Papier dorthin gelangt. Teadoro kassiert zehn Prozent. Sie reden immer von zehn
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