Todesspiele
leiser wurde. »Los jetzt!« Stille hing in der Luft, dann sagte der Arzt leise: »Kümmre dich um die anderen beiden.«
»Bailey und der Reverend?«, fragte der Wachmann in normaler Lautstärke.
»Still«, zischte der Arzt. »Ja. Aber mach es heimlich. Sie weiß nicht, dass die beiden hier sind.«
Die anderen zwei. Monica hatte sie ebenfalls durch die Wände gehört. Das Büro des Arztes war direkt neben ihrer Zelle, daher hörte sie eine ganze Menge. Der Arzt hatte eine Frau namens Bailey tagelang gefoltert, weil er einen Schlüssel wollte. Aber einen Schlüssel wozu? Und von dem Mann hatte er ein Geständnis verlangt. Was sollte der Reverend ihm beichten ... ?
Doch im nächsten Moment vergaß Monica den Reverend und Bailey. Plötzlich drangen von überallher Schreie und Schluchzer zu ihr. Lautes Kreischen, als ein Mädchen nach dem anderen abgeholt wurde. Bleib ruhig. Sie musste sich unbedingt konzentrieren. Jetzt kommen sie zu mir. Aber sie müssen die Kette abmachen, bevor sie dir die Hände fesseln. Du hast ein paar Sekunden lang die Hände frei. Lauf weg, wehr dich, kratz ihnen die Augen aus, wenn es sein muss.
Aber noch während sie versuchte, sich Mut zuzusprechen, wusste sie, dass sie keine Chance hatte. Nicht, seit sie das letzte Mal verprügelt worden war. Und selbst wenn sie es aus der Zelle schaffte, was dann? Sie würde tot sein, bevor sie irgendeinen Ausgang erreicht hatte. Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf. Ich bin erst sechzehn, und ich werde sterben. Es tut mir so leid, Mom. Warum habe ich bloß nicht auf dich gehört? Dann krachte der erste Schuss, und sie fuhr entsetzt zusammen. Wieder Kreischen, Schreie der Todesangst. Aber Monica war zu müde zum Schreien. Sie war fast zu müde, um sich zu fürchten. Fast.
Noch ein Schuss. Noch einer. Ein vierter. Sie konnte seine Stimme hören. Der Arzt. Er verspottete das Mädchen nebenan.
»Komm, sprich ein Gebet, Angel.« Es lag ein Lachen in seiner Stimme. Monica hasste ihn, wollte ihn töten, wollte ihn leiden sehen. Er sollte erbärmlich und qualvoll sterben.
Ein Schuss. Angel war tot. Und vier andere. Die Tür flog auf, und Deputy Mansfield erschien. Seine Miene war hasserfüllt. Mit zwei Schritten war er bei ihr, löste die Kette, die sie an die Wand fesselte. Monica blinzelte erschrocken, als er die Kette unsanft durch den Ring zerrte.
Sie war frei. Und doch noch immer gefangen!
»Los, komm«, knurrte Mansfield und zerrte sie auf die Füße.
»Kann nicht«, brachte sie hervor, als ihre Knie ihr nicht gehorchen wollten.
»Halt's Maul.« Mansfield riss sie hoch, als wäre sie kaum schwerer als eine Puppe, und wahrscheinlich stimmte das inzwischen sogar.
»Moment.« Die Frau stand im Korridor vor Monicas Tür und hielt sich im Schatten, wie sie es immer tat. Monica hatte ihr Gesicht noch nie gesehen, aber sie träumte von dem Tag, an dem sie der Frau die Augen auskratzen würde. »Das Boot ist voll.«
»Wieso?«, hörte man den Doc aus dem Korridor. »Ihr habt erst fünf geholt.«
»Die Kisten haben viel Platz eingenommen«, erwiderte die Frau knapp. »Vartanian und die Polizei werden jeden Moment hier eintreffen, wir müssen also verschwinden. Knall sie ab und schaff die Leichen raus.« Jetzt. Du musst nicht mehr kämpfen, nicht mehr versuchen zu fliehen. Monica fragte sich, ob sie den Schuss hören oder sofort tot sein würde. Aber ich werde nicht flehen. Diesen Gefallen tue ich ihnen nicht.
»Die da ist noch ganz okay. Sie kann noch einige Monate arbeiten - vielleicht sogar noch ein Jahr. Wirf ein paar Kisten über Bord und sieh zu, dass du Platz für sie schaffst. Wenn ich sie endgültig gebrochen habe, ist sie die beste Ware, die wir je hatten. Mach schon, Rocky.« Rocky. Die Frau hieß Rocky. Monica prägte es sich ein. Nun trat die Frau näher an den Arzt heran und damit aus dem Schatten heraus, so dass Monica ihr Gesicht zum ersten Mal sehen konnte.
Sie blinzelte gegen das Schwindelgefühl an, als sie sich die Züge dieses weiblichen Ungeheuers zu merken versuchte. Falls es ein Leben nach dem Tod gab, würde Monica zurückkehren und dieses Weib so lange verfolgen, bis es als sabberndes Etwas in einer geschlossenen Anstalt landete.
»Die Kisten bleiben an Bord«, sagte Rocky ungeduldig. Die Lippen des Arztes verzogen sich verächtlich. »Weil du das so entscheidest?«
»Weil Bobby es so entscheidet. Wenn du dich nachher nicht rechtfertigen willst, warum wir belastendes Material zurückgelassen haben, das uns alle in
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