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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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Halt. Im Fallen wusste ich, dass ich elendig zugrunde gehen würde und dass es keine Rettung gab.
    Ich schrie um Hilfe, rief nach Dir. Doch Du warst nirgends zu sehen. Es gab ringsum keine Menschenseele.
Kein Haus, keinen Baum, kein Licht. Nur eine Düsternis, die beinahe so schwarz war wie der Fluss.
    Kurz bevor meine Füße in die schrecklichen Fluten eintauchten, wachte ich auf.
    Der Blick auf meinen Wecker sagte mir, dass es fünf Uhr früh war. Ich schlief nicht mehr ein. Die Todesangst, die im Traum mein Herz umkrallt hatte, hielt noch eine Weile an.
    Gegen halb sechs stand ich dann auf, ging in die Küche und kochte mir eine Tasse Kaffee. Lange grübelte ich darüber nach, warum Du im Traum weggegangen bist und mich verlassen hast. Während Du am Leben bleiben konntest, musste ich auf grässliche Weise sterben.
    Erinnerst Du Dich an die Zeit, als wir uns in der großen Schulpause immer unsere Träume erzählt haben? Bereits damals hatte ich Todesträume, und meistens spielten tiefe und dunkle Wasser eine Rolle.
    Schon in der Traumwelt meiner Kindheit versank ich in reißenden Fluten, stürzte von hohen Türmen ins Meer oder wurde von einer großen Welle fortgeschwemmt. Das fand ich immer eigenartig, denn wir wohnten nicht am Meer. Das kannten wir nur aus Büchern und Erzählungen.
    Schreib mir, was Du von diesem Traum hältst und ob auch Du heute noch lebhaft träumst. Damals waren Deine Träume ähnlich düster wie
meine, allerdings spielten darin Wasser und Meeresfluten keine Rolle.
    Voller Ungeduld warte ich auf Post von Dir!
     
    Sei tausendmal gegrüßt von Deiner besten Freundin E.

13. KAPITEL
    Es hatte wieder zu schneien begonnen. LaBréa stand im schützenden Torbogen der Rue Taylor und telefonierte mit Brigitte Foucart. Die Gerichtsmedizinerin hatte die Autopsie an dem Unbekannten beendet und grenzte den Todeszeitpunkt auf die Zeitspanne zwischen dreiundzwanzig Uhr fünfundvierzig und null Uhr dreißig in der letzten Nacht ein. Seine letzte Mahlzeit hatte der Mann am Vortag gegen neunzehn Uhr eingenommen, ein Stück Baguette, Käse und Rotwein. Sein Blutalkoholgehalt lag bei zwei Komma fünf Promille, war also nicht annähernd so hoch wie bei Pascal Masson zwei Tage zuvor. Das Mordwerkzeug, mit dem ihm Penis und Hoden abgetrennt worden waren, musste ein ähnliches gewesen sein wie beim ersten Opfer.
    »Der Mann ist ebenfalls bei vollem Bewusstsein kastriert worden. Er hat vor Schmerzen die Zähne so fest aufeinandergepresst, dass ein Teil des linken oberen Schneidezahns herausgebrochen ist. Er lag in seiner Mundhöhle. Sein Gebiss war ohnehin nicht das beste. Zwei fehlende Backenzähne und jede Menge Zahnfüllungen, und zwar von schlechter Qualität. Amalgam in einer Legierung, die in Mitteleuropa
nicht verwendet wird. Das Material ist typisch für Länder der Dritten Welt, für Asien und den Ostblock. Und jetzt das Wichtigste: Der Mann war drogenabhängig.«
    »Tatsächlich?«, erwiderte LaBréa.
    »Ja. Keine harten Drogen. Aber Cannabis sativa, also Haschisch beziehungsweise Marihuana. Er muss das Zeug regelmäßig zu sich genommen haben, und zwar oral. Kleinere Mengen lassen sich nach dem Tod nicht nachweisen. Doch mithilfe der UV-Spektrofotometrie habe ich Cannabis in Urin und Mageninhalt nachweisen können, was auf regelmäßigen Konsum schließen lässt.«
    »Dann könnte es also sein, dass der Mann zum Zeitpunkt der Tat high gewesen ist?«
    »Das kann ich nicht nachweisen. Ich kann nur sagen, dass er die Droge regelmäßig genommen hat.«
    LaBréa bedankte sich und teilte Franck das Autopsieergebnis mit.
    »Wenn der Mann süchtig gewesen ist, war er zum Zeitpunkt der Tat vielleicht tatsächlich weggetreten«, meinte Franck. »Sonst hätte er sich sicher gewehrt, als der Mörder ihn überraschte.«
    »Ja, da mögen Sie recht haben, Franck. Entweder hat er geschlafen, als der Mörder kam, oder er war aufgrund der Droge handlungsunfähig. Kommen Sie, wir sind ja hier ganz in der Nähe des Tatorts. Wir sehen uns die alte Spinnerei noch einmal genau an. Vielleicht haben wir etwas übersehen.«

    Durch immer dichter werdendes Schneetreiben gingen sie die Rue Taylor entlang und erreichten nach etwa hundert Metern die Rue du Château d’Eau.
    »Eigenartig«, sagte Franck, als sie nach links abbogen, an der Feuerwache vorbeigingen und auf das Gelände der Spinnerei zusteuerten. »Der zweite Mord geschieht in der Rue du Château d’Eau. Eine Straße weiter wohnt der Sozialarbeiter, der den Mann

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