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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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nie um eine Renovierung oder Weiterverwendung der Gebäude gekümmert. Schon früher haben da immer wieder Hausbesetzer gewohnt. Das hat niemanden gestört.«
    »Waren Sie mal in diesen Räumen über der Halle?«
    »Ja, natürlich. Ich habe diesen Leuten öfter Lebensmittel gebracht. Arbeiten konnten sie als Illegale ja nicht. Das Rote Kreuz und andere Organisationen haben Kleider und Lebensmittel gespendet. Dank all dieser Initiativen konnten diese Menschen hier überleben.«
    LaBréa zog das Polaroidfoto des Unbekannten aus der Tasche und legte es auf den Tisch.
    »Kennen Sie diesen Mann?«, fragte er.
    Abdul Abudan nahm die Aufnahme in die Hand, um sie näher zu betrachten.
    »Ist das der Mann, der ermordet wurde? Nein, den kenne ich nicht.«
    »Wann waren Sie denn das letzte Mal in den Räumen über der Maschinenhalle?«, fragte Franck.
    »Warten Sie.« Der Mann überlegte. »Das war kurz nachdem die Illegalen verschwunden sind. Im letzten Februar. Ich weiß noch, dass es ziemlich kalt war und
ich einen Sack Briketts für die Leute besorgt hatte. Ich habe dann mit einem Kollegen ein bisschen Ordnung gemacht. Den Müll weggeräumt, die Zigarettenkippen vom Fußboden aufgefegt. Die Leute hatten ziemlich viel geraucht. Das einzige Vergnügen, das sie sich geleistet haben.«
    »Danach waren Sie nie wieder dort?«, hakte Franck nach.
    »Nein. Wieso auch? Da wohnte ja niemand mehr. Meine Betreueraufgabe war erledigt.«
    Der Hund hatte endlich aufgehört zu bellen. Es war einen Moment still in der Küche.
    »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Einen Kaffee?«, fragte der Sozialarbeiter. Seine Stimme klang sanft. Beflissen, wie LaBréa feststellte.
    »Nein, danke, Monsieur. - Sie sagen also, Sie haben die Spinnerei nie wieder betreten, weil niemand mehr dort wohnte. Tatsache ist allerdings, dass wieder jemand dort gewohnt hat, und zwar der Mann, der heute auf dem Hof der Spinnerei tot aufgefunden wurde.« Er tippte auf das Polaroidfoto. »Dieser Mann hier. Bei der Inaugenscheinnahme der Räumlichkeiten hatten wir sogar den Eindruck, dass er eine ganze Weile dort gewohnt haben muss. Mindestens seit letztem Sommer. Hier im Viertel gibt es einen Zeugen, einen Kneipenwirt, der ihn öfter gesehen hat.«
    Abdul Abudan nickte vage.
    »Wissen Sie, ob sich auf dem Gelände der alten Spinnerei öfter Jugendliche aufgehalten haben?«,
wollte Franck wissen. »Im Sommer ist das doch ein idealer Platz zum Fußballspielen, für heimliche Treffen mit Mädchen, zum Kiffen.«
    »Keine Ahnung. Wie gesagt, nach dem Verschwinden der Illegalen habe ich mich nicht mehr um die Spinnerei gekümmert. Und wenn ich ab und zu dort vorbeigekommen bin, habe ich keine Jugendlichen bemerkt, die sich dort aufgehalten hätten. Im Übrigen war im letzten Februar in der Einfahrt noch ein Tor angebracht. Ein Eisentor mit Gitterstäben. Aber irgendjemand hat das Tor dann abmontiert. Geklaut, wahrscheinlich nachts. Jedenfalls war das Gelände plötzlich für alle zugänglich.«
    »Umso wahrscheinlicher ist es doch, dass die Jugendlichen hier aus dem Viertel das Gelände erobert und für ihre Zwecke genutzt haben.«
    Der Sozialarbeiter zuckte mit den Schultern.
    »Kann sein, aber wie gesagt, das weiß ich nicht. Das Viertel hier ist ein Problembezirk. Junge Leute, die keine Arbeit haben und die nie am Reichtum unserer Gesellschaft teilhaben werden. Afrikaner, die auf illegalen Wegen ins Land gelangen. Diese Leute müssen sehen, wie sie überleben. Die Männer kaufen und verkaufen Drogen, die Frauen ihren Körper. Hier wird mit allem gehandelt, was sich zu Geld machen lässt. Schon möglich, dass auch auf dem Gelände der Spinnerei mit Drogen gedealt oder andere Geschäfte abgewickelt wurden.«
     
     
     
     

    Paris, im Januar 2004
    Liebste Maja, hier ein kleiner Nachtrag zu meinem letzten Schreiben. Ich habe ganz vergessen, Dir von einem Traum zu erzählen, den ich vor einigen Tagen hatte.
    Es war ein schrecklicher Albtraum, und die Personen im Traum waren Du und ich.
    Wir beide befanden uns an einem großen Fluss.
    Im Traum wurde nicht klar, wie wir dort hingekommen sind und was wir dort wollten. Das Ufer fiel steil ab, und wir sahen, dass im Fluss eine dunkle Brühe aus Kloake und Salpetersäure floss. Wir wussten sofort: Wer da hineinfällt, stirbt einen grausamen Tod.
    Aus irgendeinem Grund bist Du dann weggegangen, Maja, und ich saß allein an diesem Flussufer.
    Plötzlich rutschte ich die Uferböschung hinunter auf die tödliche Brühe zu. Nirgends fand ich

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