Todeswald
ich.
Aber Wuff blieb beharrlich stehen. Mit gekrümmtem Rücken und gesenkt wedelndem Schwanz spähte sie zu den Büschen hinüber. Gleichzeitig hielt sie die Schnauze schnuppernd in die Luft und winselte leise. Plötzlich hob sie den Schwanz, er schlug ein paar Mal zögernd hin und her, während sie ungeduldig auf der Stelle trat.
Ich ahnte, was in ihrem Kopf vorging.
„Bleib stehen!“
Sie warf mir einen kurzen Blick zu und schien zu überlegen, ob sie gehorchen sollte. Der Schwanz peitschte immer schneller, sie winselte lauter, jaulte auf und bellte kurz. Plötzlich machte sie einen Satz nach vorn.
„Nein, Wuff! Halt!“
Ich lief hinterher.
Einen Meter vor dem Gebüsch blieb Wuff stehen.
Vor ihr lag etwas auf dem Boden.
Etwas Schwarzes, Großes.
Es war ein Hund. Ein Rottweiler.
Ich schaute näher hin. Zögerte. War das …?
Es war tatsächlich Linus’ Glöckchen! Sie lag regungslos da.
Das schwarze Fell war blutverklebt.
KAPITEL 3
Glöckchen versuchte den Kopf zu heben, sackte jedoch gleich wieder zurück und blieb dann still liegen. Sie war verletzt. Aber sie lebte!
Mit zitternden Fingern grub ich das Handy aus der Tasche und wählte die Nummer, die ich in der Hoffnung gespeichert hatte, sie irgendwann einmal benutzen zu können. Eine solche Situation hatte ich mir dabei allerdings nicht vorgestellt.
Ich war so aufgeregt, dass mir das Atmen schwerfiel.
Linus antwortete nach dem ersten Klingeln. Er habe geglaubt, es sei die Polizei, sagte er. Er hatte überall gesucht und die ganze Nacht wach gelegen, außer sich vor Sorge um seinen Hund.
Als wir unser Gespräch beendeten, saß er bereits mit seiner Mutter im Auto und war unterwegs.
Ich kniete neben Glöckchen und breitete meine Jacke über sie. Das schwarze Fell war klebrig, aber ich sah keine offene Wunde.
Aus Angst, mehr Schaden als Nutzen anzurichten, traute ich mich nicht, sie zu berühren. Aber ich redete beruhigend auf sie ein, sagte, sie sei ein braver Hund und ihr Herrchen sei schon unterwegs.
Wuff umkreiste uns mit hilflosem Winseln. Ich bemühte mich, sie auch zu beruhigen, und überlegte dabei, was Glöckchen wohl zugestoßen sein mochte. War sie von einem wilden Tier oder einem anderen Hund gebissen worden? Oder hatte jemand sie überfahren?
Ich stand auf und begann den Weg abzusuchen. Schon bald fand ich Glassplitter, aber keine Bremsspuren. Da es die ganze Nacht geregnet hatte, war das nicht allzu verwunderlich. Ich suchte weiter und entdeckte zwischen dem Weg und dem Gebüsch Schleifspuren im Preiselbeerkraut.
Hatte derjenige, der sie überfahren hatte, sie ins Gebüsch geschleppt? Das war schwer und riskant. Ein Rottweiler wiegt über fünfzig Kilo undkann selbst dem Mutigsten eine Höllenangst einjagen. Das heißt, wenn der Hund nicht bewusstlos ist. Vielleicht hatte derjenige, der Glöckchen überfahren hatte, sie sogar für tot gehalten.
Mir kam es vor, als müsste ich stundenlang warten. Glöckchen reagierte, als sie das Auto hörte, konnte aber bloß den Kopf leicht bewegen. Als Linus und seine Mutter angestürzt kamen, versuchte der Hund aufzustehen, sank aber sofort wieder zu Boden.
Beide hatten die erstbesten Klamotten übergeworfen, die greifbar gewesen waren. Linus trug eine viel zu kurze rote Steppjacke und hatte seine Jeans in kniehohe Gummistiefel gestopft. Linus Mutter, die ich bisher nur in hochhackigen Schuhen und elegantem Kostüm kannte, hatte einen ausgebeulten Trainingsanzug an. Sie war ungeschminkt und die kastanienbraunen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bei jeder Bewegung wippte.
Sie kniete neben Glöckchen nieder und betastete behutsam den Körper des Hundes.
„Es ist etwas mit der Hüfte“, stellte sie nach einer Weile fest. „Sie muss überfahren worden sein.“
„Auf dem Weg liegen Glassplitter“, teilte ich mit.
„So ein verdammter Feigling!“, fauchte Linus.
„Ich rufe gleich die Tierklinik an“, sagte seine Mutter.
„Wann ist Glöckchen verschwunden?“, fragte ich Linus, während sie telefonierte.
„Gestern Abend, als ich mit ihr unterwegs war. Sie ist schon ein paar Mal ausgerissen, aber immer nach wenigen Minuten zurückgekommen. Als sie gestern nicht zurückkam, war mir klar, dass etwas passiert war. Da muss sie schon überfahren worden sein.“
Linus’ Mutter schob das Handy wieder in die Tasche.
„Sie erwarten uns.“
Erst jetzt sah ich, dass ihre Hände zitterten. Bestimmt war sie genauso geschockt wie Linus und ich.
Sie fuhr so nah wie
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