Toechter Der Suende
Frau ihr half, den Mann zu waschen, rückte Hildegard seinem Bart zu Leibe. Es war eine harte Arbeit, denn die Haare waren verfilzt, und sie entdeckte Läuse darin.
»Ich glaube, der Kerl hat sich seit Wochen nicht mehr gewaschen«, sagte die vorlaute Magd kopfschüttelnd.
»Viel zu essen hat er in der Zeit auch nicht bekommen«, setzte ihre Gefährtin mit Blick auf die hervortretenden Rippen des Fremden hinzu.
Das warme Wasser und die leichte Massage durch das Waschen weckten den Mann, und er schlug die Augen auf. Als er Hildegard über sich gebeugt sah, atmete er erleichtert auf. »Es war also kein Trug! Ich habe Kibitzstein erreicht.«
»Das hast du, und du kannst froh sein, dass du hierhergekommen bist. Anderswo hätten sie einen so verlausten Kerl wie dich nicht über die Schwelle gelassen«, beschied ihn die Magd und drückte ihm das Seifenstück in die Hand. »An einer gewissen Stelle kannst du dich selber waschen!«
»Zuerst soll er einen Schluck Wein erhalten«, tadelte Hildegard sie und begann, die Wangen des Mannes mit dem Schermesser zu bearbeiten. Derweil eilte eine der Mägde davon und kam mit einem Becher des sauren Weines zurück, der zum Kochen verwendet wurde, weil ihn sogar die meisten Mägde verschmähten.
Reckendorf trank jedoch wie ein Verdurstender und reichte den Becher mit einem »Vergelt’s Gott« zurück.
»Wie ich sehe, hat die Pilgerreise nach Santiago Euch Demut gelehrt«, spottete Hildegard.
Die beiden Mägde riss es bei dieser höflichen Anrede.
»Sagt bloß, das ist ein Herr von Stand, Jungfer?«, fragte eine.
»Dieser Mann hier ist Junker Bruno von Reckendorf, der uns allen in bester Erinnerung geblieben ist«, erklärte Hildegard mit leichtem Spott.
»Was? Der! Und für den verschwende ich auch noch unsere gute Seife!« Die Magd hob den Lappen, mit dem sie Reckendorf gewaschen hatte, und sah aus, als wolle sie ihm diesen ins Gesicht schlagen.
Hildegard verhinderte es, indem sie den Arm der Frau packte. »Lass das! Es wäre eine zu billige Rache. Außerdem wirkt der Herr nicht, als wäre er derzeit ein würdiger Gegner. Lassen wir daher Mitleid walten.«
»Ihr beschämt mich, Herrin!« Reckendorf senkte den Kopf und wäre durch diese abrupte Bewegung beinahe eines Ohres verlustig gegangen. Im letzten Augenblick zog Hildegard ihr Rasiermesser zurück und fuhr ihn zornig an. »Könnt Ihr nicht achtgeben? Wenn Euch hier etwas geschieht, heißt es gleich, wir hätten es aus Rache getan.«
»Verzeiht!« Erschrocken hielt Reckendorf still, bis sie ihm die Bartstoppeln abgeschabt hatte. Doch als sie mit dem Kopf fortfahren wollte, brachte er einen Einwand. »Ihr wollt mich doch nicht etwa zum Mönch scheren?«
»Zu überlegen wäre es«, spöttelte Hildegard. »Aber mir geht es mehr um die Begleiter, die Ihr Euch unterwegs angelacht habt. Auf Kibitzstein mögen wir keine Läuse!«
Reckendorf atmete einmal tief durch und hielt ihr dann den Kopf hin. »Macht, was Ihr für richtig erachtet. Ich hoffe nur, Ihr habt hinterher eine Kappe für mich.«
»Ihr seid ja immer noch eitel! Mich interessiert jedoch mehr, wie Ihr in diese Lage geraten seid. Immerhin habt Ihr im letzten Jahr Würzburg mit einer stattlichen Schar und einer gut gefüllten Reisekasse verlassen.«
Während Hildegard dem Junker die zottigen Haare abschnitt und dabei peinlich darauf achtete, jede Laus und jede Nisse zu erwischen, begann Bruno von Reckendorf von seiner Reise zu berichten.
»Zu Beginn war es auch so, wie Ihr eben gesagt habt. Doch im Süden Frankreichs hat mich ein Fieber so heftig gepackt, dass ich vom Pferd gesunken bin. Daraufhin haben Bertschmann und meine Knechte mich ausgeraubt und bis auf die Haut entkleidet. Ich habe sie nie wiedergesehen. Brave Leute haben mich in ein Kloster gebracht, in dem ich gesund gepflegt worden bin. Den weiteren Weg habe ich als Bettler zurücklegen und mich von dem ernähren müssen, was mildtätige Menschen mir zukommen ließen.«
»Besonders mildtätig scheinen die Leute auf dem letzten Teil Eures Weges nicht gewesen zu sein, da Ihr, mit Verlaub gesagt, arg verlottert ausseht.« Hildegards Stimme klang kühl, doch das galt weniger dem Junker als jenen, die ihn ohne jedes christliche Mitleid von ihren Schwellen vertrieben hatten.
Der Junker blickte zu Boden, um seine Scham zu verbergen. »Es war die Strafe für das, was ich Euch angetan habe. Ich habe Euch hungern lassen und in Lumpen gekleidet. Der Herrgott hat es mir vergolten, indem er mich vor Hunger
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