Toechter Der Suende
fast hat verzweifeln lassen. Zudem wurde mir bis auf einen stinkenden Kittel alles genommen, mit dem ich meine Blöße hätte bedecken können. Der Herr hat meinen Stolz niedergeworfen, bis ich das Brot aus dem Staub aufgehoben habe, in den es geworfen wurde, und es wie ein Tier verschlungen habe!«
Die Tränen, die Reckendorf über die Wangen strömten, waren echt, und Hildegard fühlte, wie schwer ihm der Weg gefallen sein musste. »Weshalb seid Ihr bis hierher nach Kibitzstein gegangen und habt nicht in Würzburg oder auf Euren eigenen Besitzungen haltgemacht?«, fragte sie. »Wolltet Ihr nicht, dass andere Euch so sehen?«
»Ich habe gegen Euch gesündigt und glaube, dass nur Ihr mich von meiner schweren Schuld erlösen könnt!« Reckendorf atmete tief durch, denn in den letzten Wochen hatte er ständig Hildegard vor seinem inneren Auge gesehen, wie sie hungrig und in schmutzigen, zerrissenen Kleidern vor ihm gestanden hatte. Sein Schicksal, so war er überzeugt, war die Strafe für seine Schuld.
»Sogar Bertschmann und meine ungetreuen Knechte waren ein Werkzeug des Herrn! Deswegen hege ich auch keinen Groll gegen sie. Mögen sie dort, wo sie jetzt sind, glücklich werden oder verderben. Was aus ihnen wird, liegt in Gottes Hand. Ich habe meinen Weg nach Santiago bewältigt und dabei zu mir selbst gefunden!« Ein Lächeln erschien auf Reckendorfs Gesicht und verlieh seinem ausgezehrten Äußeren einen angenehmen Ausdruck.
Hildegard betrachtete ihn eine Weile und erwiderte das Lächeln. »Ich spreche Euch frei, Junker Bruno! Geht zum Fürstbischof und sagt ihm, dass Euch verziehen ist.«
Reckendorf schien das als Aufforderung anzusehen, aus dem Schaff zu steigen, doch Hildegard hinderte ihn daran. »In Eurem Zustand könnt Ihr nicht fort! Ihr müsst Euch erst erholen!«
13.
E ine Stunde später saß Junker Bruno am Tisch und löffelte seine Hühnersuppe. Obwohl der Hunger in seinen Eingeweiden wütete, aß er manierlich, um Hildegard und Marie nicht das Bild eines Gierhalses zu bieten. Die Frauen hatten ihm Kleidung gegeben, die Falko zurückgelassen hatte, und die Kappe, die seinen kahl geschorenen Kopf bedecken sollte, lag nun neben ihm auf der Bank.
»Ich hoffe, es schmeckt Euch«, sagte Hildegard, der die Brühe arg gewöhnlich vorkam.
»Und wie es schmeckt, Jungfer Hildegard! Ich fühle mich wie der verlorene Sohn, der zum Vater zurückkehrt …«
»Erwartet aber nicht, dass ich ein Kalb für Euch schlachte«, unterbrach Marie ihn herb.
Sie wusste noch nicht, was sie mit diesem Besucher anfangen sollte. Immerhin hatte Reckendorf ihren Sohn vor allen Leuten beleidigt und zum Zweikampf herausgefordert und dann sie und ihre Töchter heimtückisch überfallen.
Der Junker spürte ihre Abneigung und kämpfte erneut mit seinem schlechten Gewissen. »Ich habe schändlich an Euch und den Euren gehandelt, Frau Marie, und kann Euch nur bitten, mir zu verzeihen. Mein Stolz hat mich blind werden lassen.«
»Ihr habt uns doch nicht ohne Grund so bekämpft! Was hattet Ihr eigentlich gegen unsere Sippe?«, wollte Hildegard wissen.
»Ihr erspart es mir nicht, mich bis zum Letzten zu demütigen«, antwortete der Junker leise. »Doch ich fühle, dass ich auch das ertragen muss. Es ging um meine Schwester Margarete. Herr Gottfried Schenk zu Limpurg wollte eine Ehe zwischen ihr und Eurem Sohn stiften. Aber mein übermäßiger Stolz auf das Alter meiner Familie hat mich blind gemacht und mich dazu verführt, mich mit allen Mitteln gegen diese Heirat zu sträuben. Ich habe Margarete sogar einem anderen Mann als Weib versprochen, aber dieser hat sich als unwürdig erwiesen.«
»Meint Ihr Bertschmann?«, warf Hildegard ein. »Dieser Mann war der böse Geist hinter all Euren Taten. Ich rechne es Euch noch heute hoch an, dass Ihr mich nicht diesem Scheusal überlassen habt.«
Marie fand, dass ihre Stieftochter etwas zu gnädig mit Reckendorf umging und dessen Taten noch entschuldigte. Da sie jedoch keinen Streit provozieren wollte, sagte sie sich, dass der Junker in spätestens zwei Wochen in der Lage sein würde, nach Würzburg zu reisen. Dann war sie ihn los.
14.
D ie Zeit verstrich, und Marie begriff, dass ihre Schätzung etwas voreilig gewesen war, denn Reckendorf lebte bereits seit vier Wochen auf Kibitzstein und deutete mit keinem Wort und keiner Geste an, dass er die Burg bald verlassen wolle. Gerade befand er sich mit Hildegard im Garten, um Pflaumen zu ernten. Das ging nicht ohne fröhliche Rufe und Lachen
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