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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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ausgesprochen guten Riecher für Geschäfte
aller Art.
    Er hatte den Verkauf von Intran, Crépu, Soir und Paris-Nuit in ganz Saint-Ouen „vertrustet“, wie er es nannte. Nach
und nach weitete er seinen Bezirk ein wenig auf Paris aus, vom Boulevard
Bessières bis la Chapelle. Unterstützt von anderen Rotznasen, zu deren Boß er
sich ein für allemal ernannt hatte, machte er jedem Zeitungsverkäufer, der
nicht zu seiner Bande gehörte, das Leben unmöglich.
    So kam es, daß es nur knapp zehn Zeitungsjungen
in einem Bezirk gab, der gut und gerne die doppelte Anzahl verkraftet hätte.
Das Geschäft blühte, zumal es der pfiffige Jacques Bressol immer wieder
schaffte, an den Auslieferungsstellen als einer der ersten ab gefertigt zu
werden. Und wenn sich mal ein kleiner Einzelkämpfer auf sein Gebiet wagte,
konnte er leicht zur Räson gebracht werden. Wenn allerdings eine rivalisierende
Bande anrückte, ging das nicht so glimpflich ab.
    Genau das war zwei Monate zuvor passiert. Das
löste eine erbitterte Schlägerei aus, bei der Bressols Leute und ihre Gegner
reichlich Federn lassen mußten. Zigeuner und arbeitslose Araber spielten
Ringrichter und feuerten sie begeistert an. Bressol ging siegreich aus der
Schlacht hervor, was sein Ansehen noch beträchtlich steigerte. Die Flics nahmen
sich jedoch vor, in Zukunft ein wachsameres Auge auf die Nachwuchsgangster zu
werfen. Nichtsdestoweniger schwoll Bressols stolze Brust mehr und mehr an. Er
beherrschte den Zeitungsverkauf in Saint-Ouen und Umgebung wie Scarface in Chicago den Schnapskonsum.
    Es gehörte nicht zu den Gewohnheiten meines
Freundes, mir auf die Bude zu rücken. Ich hatte ihn seit mehr als drei Monaten
nicht mehr gesehen. Von der Schlägerei hatte mir einer meiner Bekannten
berichtet, der in einer marineblauen Uniform mehrere Stunden täglich an der
Kreuzung Ney-du-Poteau den Straßenverkehr zum Erliegen brachte. Ich fürchtete,
daß Jacques mit den Ordnungshütern aneinandergeraten war, und zwar ziemlich
heftig.
    Eine Weile knetete er seine Mütze in den Händen,
dann knüllte er sie zusammen und stopfte sie in die Tasche mit dem
Lederflicken.
    „Die Flics lassen uns in Ruhe“, erwiderte er auf
meine Frage. „Haben nichts dagegen, daß wir unsere Blätter an den Fabriktoren
verhimmeln. Ihnen ist es lieber, wir verkaufen Zeitungen, als daß wir Uhren
klauen oder Touristen ausnehmen. Zur Schule oder zur Arbeit kriegt uns sowieso
keiner! Aber daß ich ‘ne lukrative Masche gefunden habe in diesen harten
Zeiten, das bringt einige Scheißkerle um den Schlaf. Bei der Schlägerei haben
sie den kürzeren gezogen, jetzt versuchen sie ‘ne andre Tour...“
    Er nahm noch eine zweite Kippe aus dem
Aschenbecher, klemmte sie sich gekonnt in den Mundwinkel und fuhr in
melodramatischem Ton fort:
    „Man tötet mir meine Männer, Burma!“
    „Im Ernst?“
    Daß sich zwei Banden von Halbwüchsigen um einen
günstigen Verkaufsbezirk prügelten, mochte ja noch angehen, obwohl es ein
düsteres Licht auf die Zustände in unserer Gesellschaft warf. Aber sich
vorzustellen, daß sie mit Revolvern oder anderen Waffen untereinander
abrechneten... Nein, so gutgläubig war ich dann doch nicht. Der Junge wollte
mir einen Bären aufbinden. Leider hatte er sich einen ungünstigen Moment
ausgesucht. René Galzat reichte mir vollkommen.
    „Wenn das ‘ne Wette sein soll, dann hast du
verloren“, knurrte ich. „Über Nestor Burma hat sich noch niemand lustig
gemacht... (Das stimmte nicht so ganz!) Und Jacques Bressol wird nicht der
erste sein!“
    „Wenn ich Sie verarsche, will ich tot umfallen!“
knurrte er zurück. „Ich sage Ihnen: Man murkst meine Leute ab! Zwei in einer
Woche, das ist doch nicht normal.“
    Er stand mit sorgenvoller Miene auf, zog eine Ausgabe
des Paris-Midi aus der Tasche und zeigte mit dem Finger auf einen
Artikel.
    „Sehnse selbst“, sagte er in seiner lässigen
Sprache.
    In drei Zeilen wurde von dem Tod des
dreizehnjährigen Jean Tanneur berichtet, „wahrscheinlich hervorgerufen durch
die Aufnahme arsenhaltiger Lebensmittel.“
    „Wer ist Jean?“ erkundigte ich mich.
    „Einer meiner Besten! Sehr brauchbar bei
Großaktionen. Wurde von seinem Vater windelweich geschlagen und hat sich dafür
an unseren... äh... Feinden gerächt. Ein ganz Harter. Er wurde umgebracht, ganz
sicher. Genauso wie das Affengesicht.“
    „Das Affengesicht?“
    „Louis Béquet. Noch einer von uns. Mußte vor
drei Tagen ins Gras beißen.“
    „Béquet? Ist das

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