Tödliche Pralinen
sagten, Galzat: Eine Verrücktheit zieht die nächste nach
sich! Catherine will die Serie der Todesfälle beenden. Die hindern sie nämlich
daran, die große Liebe ihres Lebens zu genießen. Nur einen Mord muß sie noch
begehen, um ihre Ruhe zu haben: an Nestor Burma, dem Mann, der ihr in seiner
Eigenschaft als Privatflic gefährlich werden könnte. Also mischt sie Arsen in
seinen Tee oder in seine Heilwässerchen. Ja, sie stürzt von den höchsten
Gipfeln ihrer Intelligenz in die tiefsten Abgründe ihres Wahnsinns. Ein unglückliches
Opfer der Umstände, sozusagen! Heute zum Beispiel ist sie einem ähnlichem
Wechselbad ausgesetzt: Einerseits schwebt sie im siebten Himmel, und dann
wieder sieht sie sich der unausweichlichen Katastrophe gegenüber. Ihr siebter
Himmel: Der Mann, der sie so hartnäckig verdächtigt hat, leistet Abbitte und
gesteht seinen Irrtum ein. Endlich ist sie reingewaschen! Der Tod eines jungen
Mannes in Billancourt hat dem Doktor die Augen geöffnet... oder endgültig
verschlossen, ganz wie man will. Die Schwägerin ist nicht mehr das Monster, für
das er sie gehalten hat. Ihre Vermutungen über anarchistische
Schokoladenverkäufer haben sich bestätigt. Das war doch Ihre Meinung, Monsieur
Blouvette-Targuy, oder?“
„Ja“, flüsterte der Doktor mit so leidgeprüfter
Stimme, daß wir eine Schweigeminute einlegten.
Darauf hatte der Meisterschüler im Nachbarhaus
nur gewartet, um wieder auf sein Klavier einzuhämmern. Tonleitern stolperten
rauf und runter...
„Und in diesem Moment taucht Freund Galzat auf
und versaut alles! Bleich wie ein Gespenst war die arme Catherine, haben Sie
gesagt? Sie wurde ohnmächtig, brauchte Ruhe? Kann ich mir lebhaft vorstellen!“
„Aber der Beweis!“ schrie Galzat. „Der Beweis
für Ihre scheußlichen Behauptungen, Burma!“ Er konnte es einfach noch nicht glauben.
„Der Beweis!“
„Keine Angst“, beruhigte ich ihn, „sie wird
schon gestehen. Ich habe Ihnen lange genug zugehört, als Sie Ihre Theorie
auseinanderlegten. Und noch länger habe ich gebraucht, um die Dinge wieder
zurechtzurücken. Das alles nur, um unserer Freundin Zeit zur Flucht zu geben.
Herrgott nochmal, Sie ist zu schön für die groben Leinenkittel von Rennes oder
Hague-neau! Gegen die Pralinen, die noch im Umlauf sind, haben wir sowieso
keine Chance. Und weitere wird sie nicht mehr vergiften... Doch Catherine hat
die Gelegenheit zur Flucht nicht genutzt. Sie steht oben und hört uns zu. Ohne
einzugreifen, ohne zu widersprechen.“
Galzat rannte zur Treppe. Ich packte ihn am Arm
und hielt ihn zurück. Oben hörte man ein Rascheln, dann wurde eine Tür heftig
zugeknallt. Im Salon war es dämmrig geworden, wir hatten es gar nicht bemerkt.
Galzats bleiches Gesicht leuchtete wie die helle Kugel des Vollmonds in der
Nacht.
Ein bedrückendes Schweigen folgte, unterbrochen
nur von dem unbarmherzigen Schüler, der einfach nicht von seinem Klavier
ablassen wollte.
Und in diese unmusikalische Stille fiel ein
Schuß.
Etwas Schweres fiel auf den Boden über unseren
Köpfen.
Paris, 1945
Auf das mysteriöse Telegramm einer alten Dame
und früheren Mandantin hin reist Nestor Burma nach île Men Bahr, eine winzige
Insel. Doch kurz vor seiner Ankunft verstirbt die Auftraggeberin unverhofft,
ohne eine Nachricht für Burma zu hinterlassen.
Mit ihren rosafarbenen Granitfelsen, dem
Pinienwäldchen und dem fast tropischen Klima erscheint Nestor Burma die kleine
Insel als idealer Erholungsort. Sie bietet ihm sogar standesgemäß einige sanft
erledigte Leichen als Rechtfertigung für seine Pseudoferien. Am Ende, nachdem
er eine hübsche, üppige Blondine in den 30ern aufgegabelt hat, entpuppt sich
die Insel Men Bahr als wahre Schatzinsel.
»Tote reden kurze Sätze« ist ein weiterer,
überaus packender, schwarzer Kriminalroman aus der Reihe »Ermittlungen des
Nestor Burma«.
Gebunden, 144 Seiten, DM 24.-
V
Elster Verlag Baden-Baden und Zürich
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