Toedliche Saturnalien
Klienten versammelten sich herausgeputzt und bester Dinge, weil jeder schon vor dem offiziellen Beginn des Festes kräftig dem Wein zugesprochen hatte. Der eigentliche Feiertag begann erst am nächsten Morgen.
Dann durften sich die Sklaven alle Freiheiten heraus nehmen, und die Römer hatten eine Reihe von sonderbaren Kleidungsund Verhaltensvorschriften zu befolgen, die nur für die Saturnalien in Kraft traten.
Ich ließ meine Sklaven Tabletts mit Erfrischungen auftragen und mischte mich unter meine Klienten, debile Glückwünsche murmelnd, wie sie zu derlei Anlässen erwartet werden. Trotz der Fröhlichkeit, die die Stadt ergriffen hatte, hatte ich sowohl meinen Dolch wie auch einen Caestus unter meine Tunika gesteckt. Mit lärmenden, feiernden Menschenmassen gefüllte Straßen bieten noch mehr Möglichkeiten für einen Überfall als verlassene Straßen in einer finsteren Nacht.
Wir verließen mein Haus und prozessierten die Via Subura hinab bis zum Forum. Dabei kamen wir nur quälend langsam voran, weil jeder Einwohner Roms, der nicht auf dem Sterbebett lag, auf den Straßen war, grüßend, tanzend und lärmend. Die Weinverkäufer machten das größte Geschäft des Jahres, und die meisten Flöten wurden von Menschen ohne jedes musikalische Talent geblasen.
Wir vereinigten uns mit den Menschenmassen, die die Via Sacra hinabwogten, passierten die Basiliken und Portiken, bis wir alle vor dem großen Saturntempel zum Stehen kamen. Hier regierten die Liktoren und Tempelsklaven, die als Platzanweiser fungierten. Ich ließ meine Klienten zurück, um meinen Platz bei den übrigen Senatoren einzunehmen, die auf den Stufen des Tempels aufgereiht standen. Als noch junges Mitglied dieser erhabenen Körperschaft hatte ich einen Platz in der hintersten Reihe, doch von hier aus konnte ich die wichtigsten Vertreter des Staates beobachten, die an jenem Tag in Rom weilten.
Auf dem Ehrenplatz neben dem Altar vor dem Eingang standen die Vestalinnen, unter ihnen meine Tante Caecilia, die Flamines (unsere Familie stellte in jenem Jahr keinen Flamen Dialis), die Pontifices und alle amtierenden Magistraten. Unter den Aedilen entdeckte ich Calpurnius Bestia und versuchte erfolglos zu erraten, wer sein Kollege Murena war. Bei den Tribunen sah ich Metallus Scipio, bei den designierten Tribunen Clodius. Sogar der Konsul Bibulus hatte sein Haus für dieses Ritual verlassen, weil die Anwesenheit aller Magistraten mit Imperium erforderlich war. Er sah aus, als hätte er zu viele unreife Pfirsiche gegessen.
Links von mir, auf den untersten Stufen der Treppe standen die Patrizierfamilien. Von meinem Standpunkt aus konnte man erschreckend deutlich erkennen, wie sehr sich ihre Reihen gelichtet hatten. Einstmals eine große Macht im Staate, gab es jetzt nur noch so wenig Patrizier, daß es mit Ausnahme des Ansehens keine besonderen Vorteile mehr bot, dieser Klasse anzugehören. Damals gab es noch etwa vierzehn patrizische Familien, und einige von ihnen waren wie die Julier winzig. Die stärkste Fraktion stellten vielleicht die Cornelier, und selbst sie wirkten stark dezimiert.
Ich sah Ciodia, Fausta und Fulvia beieinander stehen, und nachdem ich erst die Julier entdeckt hatte, erkannte ich auch Julia. Sie bemerkte meinen Blick und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. Ich lächelte zurück. Aber schließlich lächelte so ziemlich jeder. Zu den Saturnalien benehmen wir uns alle ein bißchen albern.
Hinter den Patriziern standen die Vertreter des Ritterstandes, zahlenmäßig und ihrem Einfluß nach die wichtigste Klasse, weil der Status eines Eques nicht qua Geburt, sondern per Besitzstand erworben wurde.
Die strenge Unterteilung nach Rang und Klasse war rein symbolisch, weil sich nach Beendigung der Zeremonie alle Klassen in Erinnerung an das Goldene Zeitalter des Saturn freimütig mischen würden. Im Gegensatz zu allen anderen Opferzeremonien trug niemand, weder Mann noch Frau, Sklave oder Freigeborener, eine Kopfbedeckung, weil bei diesem fröhlichsten Ritual des gesammten Jahres jeder feierliche Ernst von Anfang an vermieden werden sollte.
Nachdem wir uns alle versammelt hatten, traten die Auguren neben den Altar und suchten den Himmel nach Omen ab; unter ihnen Pompeius, wie die anderen in einer gestreiften Robe und mit dem an der Spitze gebogenen Stab. Die nächsten paar Minuten wagte kaum einer zu atmen. Es war ein schöner Abend, kein Donner grollte, keine fliegenden Vorboten eines bösen Schicksals zeigten sich am Himmel, so daß die
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