Toedliche Saturnalien
jeden offensichtlich waren.
»Gallien. Ich weiß nicht, Julia«, sagte ich skeptisch. »Wir haben das Land inzwischen so lange besetzt, kolonialisiert und bekämpft, daß es praktisch keine Person von öffentlicher Bedeutung gibt, die nicht irgendwann einmal damit zu tun hatte.
Auch ich bin in militärischer oder diplomatischer Mission mehr als einmal dort gewesen.«
»Aber es kann doch kein Zufall sein, daß ausgerechnet jetzt so viele von ihnen auch etwas mit dem Mord zu tun haben! Im Moment ist Gallien die süßeste Frucht, die es im ganzen Imperium zu ernten gibt. Es überrascht mich, daß man noch nicht versucht hat, meinen Onkel zu vergiften. Du weißt doch, daß Pompeius Gallien will.«
»Dafür ist Caesar zu gerissen«, sagte ich mit einer visionären Klarheit, die mich gelegentlich überkommt. »Er hat dafür gesorgt, daß Pompeius' Veteranen ihr Land kriegen. Mit seinen unzufriedenen Soldaten im Rücken war Pompeius eine ernstzunehmende Macht. Aber jetzt lassen die sich nur noch mit viel Mühe von ihren kampanischen Ländereien locken.« Es war ein raffinierter Schachzug gewesen, mit dem Caesar sich gegen einen möglichen Verrat Pompeius' geschützt hatte.
»Außerdem hat mir Lisas erzählt«, fuhr ich fort, »daß die Lage in Gallien prekär ist und zu einem Krieg gegen die Germanen eskalieren könnte. Und bei den Germanen gibt es herzlich wenig zu erbeuten.«
»Germanen?« fragte sie scharf. »Was haben die damit zu tun?«
Also mußte ich ihr von den Einzelheiten meines Gesprächs mit Lisas berichten. Sie folgte meinem Vortrag konzentriert und mit einer raschen Auffassungsgabe für militärische und politische Zusammenhänge, die ihrem Onkel alle Ehre machte.
»Meinst du, man kann diesem intriganten Ägypter trauen?«
Fragte sie.
»Ich wüßte nicht, was er davon hätte, sich die ganze Geschichte nur auszudenken«, erklärte ich ihr. »Für deinen Onkel könnte sich das Ganze zu einer Katastrophe auswachsen Das ist bestimmt nicht der Kampf, mit dem er rechnet.«
»Mach dich nicht lächerlich«, fuhr sie mir über den Mund.
»Er ist jedem gewachsen, auch großen Armeen noch größerer Feinde. Wenn er aus Gallien zurückkehrt, wird er den größten Triumph feiern, den Rom je gesehen hat.«
Ich glaubte nicht, daß er auch nur den Hauch einer Chance hatte, was ein bezeichnendes Licht auf mein Einschätzungsvermögen wirft.
»Decius, für die Dauer des Feiertages darf ich mich ohne meine Großmutter frei in der Stadt bewegen«, erklärte Julia, das Thema wechselnd. Julias Großmutter war die furchteinflößende Aurelia, Mutter von Gaius und Lucius Julius Caesar. Ihr war es durchaus zuzutrauen, daß sie wegen unschicklichen Benehmens gegenüber ihrer Enkelin meine öffentliche Auspeitschung und Hinrichtung verlangen würde, wie sie es in der Vergangenheit schon des öfteren getan hatte.
»Trotzdem wüßte ich nicht...«
»In diesem Fall geht es doch ausschließlich darum, Gerüchte, Klatsch und Verleumdungen aufzuschnappen. Das kann ich genausogut wie du!« erklärte sie mit Bestimmtheit.
»Nun ja, aber...«
»Dann wäre das also besprochen.« Und so war es.
Beim Reden hatten wir unsere Becher erneut geleert, und als Julia mir ihren zum Nachfüllen gab, bemerkte sie den Verband um meine Hand.
»Was ist denn mit deiner Hand passiert?« fragte sie, stellte ihren Becher ab und nahm meine verwundete Pranke in ihre zarten patrizischen Finger, als ob sie die Wunde durch bloßes Handauflegen heilen könnte.
»Wir sind auf der Überfahrt von Piraten überfallen worden«, erzählte ich ihr. »Diese Verletzung habe ich mir zugezogen, als ich sie auf ihr Schiff zurück getrieben und ihren Kapitän niedergemetzelt habe.«
Sie ließ meine Hand fallen. »Wahrscheinlich hast du dich beim Rasieren geschnitten«, meinte sie.
Den restlichen Abend schlenderten wir zwischen den Ständen umher, bewunderten die Gaukler, die ihre Kunststücke vorführten, und ließen uns von der allgemeinen Festtagsstimmung mitreißen. Wir bestaunten dressierte Tiere, Seiltänzer, Tanzgruppen aus wunderschönen Knaben und Mädchen, die alte Tänze der griechischen Inseln aufführten, nubische Feuerschlucker, ägyptische Magiere und zahllose andere Schausteller.
Ein persischer Zauberer ließ einen Strauß weißer Blumen unter Julias Gewand auftauchen, die sich, als sie mit einem entzückten Jauchzer danach greifen wollte, in weiße Tauben verwandelten, die sich in die Lüfte erhoben und davon flogen.
Von einer gutmütig
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