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Toedliche Saturnalien

Toedliche Saturnalien

Titel: Toedliche Saturnalien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Decius«, sagte er freundlich, so als wäre meine Unterstützung von irgendeiner Bedeutung.
    Ich wies auf den zerklüfteten Abgrund des Tarpejischen Felsen. »Manche Männer, die heute frei und unbehelligt herumlaufen, hätten für ihre Verwicklung in die Affäre den Sturz von diesem Felsen wirklich verdient«, sagte ich.
    »Ich weiß, wen du meinst«, sagte er traurig. »Calpurnis Bestia und ein Dutzend andere. Die meisten von ihnen sind dank Pompeius' Unterstützung davon gekommen, und der Rest waren Kumpel von Caesar und Crassus. Jetzt ist es zu spät, sie noch zur Verantwortung zu ziehen. Egal, irgendwann kriegen wir sie wegen etwas anderem dran.«
    Mir kam der Gedanke, daß Cicero ein Mann war, der mir möglicherweise einen Rat geben konnte. »Marcus Tullius«, sagte ich, »würdest du mir einen Gefallen tun. Ich ermittle gerade in dem seltsamsten Fall meiner ganzen Karriere, und ich brauche deinen Rat.«
    »Ich stehe zu deinen Diensten, Decius«, erwiderte er. »Etwas, was mich von meinen eigenen Sorgen ablenkt, kommt mir sehr gelegen.« Er sah sich ungehalten um. »Aber hier ist es zu laut.
    Es gibt nur einen einzigen Ort in Rom, an dem es heute garantiert ruhig ist, und der ist nur ein paar Schritte entfernt.« Er stieg die breite Treppe hinauf, und ich folgte ihm.
    Im Inneren der Curia schlug uns gespenstische Stille entgegen. Nicht ein Sklave war zum Kehren zurück geblieben, selbst die Staatssklaven hatten Urlaub. Wir stiegen die Mitteltreppe hinab und nahmen auf den für die Praetoren reservierten Mamorstühlen neben dem lange unbesetzten Sessel des Elamen Dialis Platz.
    »Nun, mein junger Freund, wie kann ich dir helfen?« fragte Cicero.
    An seinem gespannten Gesichtsausdruck erkannte ich, daß er tatsächlich hoffte, sich mit einem vertrackten Rätsel von seinen eigenen Sorgen abzulenken, und ich fragte mich, wie ich die Sache darstellen konnte, ohne daß er mich gleich für schwachsinnig hielt. »Marcus Tullius, du bist einer der gebildetsten Männer unserer Zeit«, begann ich. »Gehe ich recht in der Annahme, daß dein Wissen über die Götter so umfangreich ist wie deine Kenntnisse in Rechtsfragen, Geschichte und Philosophie?«
    »Zunächst möchte ich feststellen, daß kein Mensch die Götter wirklich kennt«, erwiderte er bescheiden. »Ich habe allerdings das, was über die Götter geschrieben und gesagt wurde, ausgiebig studiert.«
    »Das ist genau das, was ich brauche«, sagte ich. »Wenn ich mir eine so persönliche Frage erlauben darf, wie steht es mit deinem eigenen Glauben in diesen Dingen?«
    Er schwieg einen Moment. »Vor zwanzig Jahren habe ich eine Reise nach Griechenland unternommen«, sagte er schließlich, »zu Studienzwecken, zur Erholung meiner angeschlagenen Gesundheit und wohl auch, um Sullas Aufmerksamkeit zu entgehen. Er war damals noch Diktator und hatte Anlaß, mich nicht zu mögen. Ich habe bei Antiochus studiert, einem überaus vornehmen und gelehrten Mann. Ich war damals auch Novize im Kult der Elysichen Mysterien. Bis dahin war ich ein abgrundtiefer Skeptiker, aber die Mysterien vermittelten mir eine höchst erleuchtende und bewegende Erfahrung. Natürlich darf man nicht mit einem Nicht-Initiierten darüber sprechen, aber es reicht vielleicht, wenn ich sage, daß ich seither nicht nur von der Möglichkeit eines glücklichen Lebens überzeugt bin, sondern auch von der Unsterblichkeit oder doch zumindest vom Weiterleben der Seele.«
    Eine derart offene und tiefgehende Antwort hatte ich nicht erwartet. »Ich verstehe«, sagte ich. »Und doch haben die meisten Menschen überall auf der Welt ihre eigenen Götter, denen sie die Macht zuschreiben, den Kosmos zu regeln. Haben die irgendwelche Gültigkeit?«
    »Die Leute haben in erster Linie Angst«, erwiderte Cicero.
    »Sie fürchten die Welt, in der sie leben. Sie fürchten, was sie sehen und was sie nicht sehen können. Sie fürchten ihre Mitmenschen. Und keine dieser Ängste ist, wie ich betonen möchte, unbegründet. Die Welt ist in der Tat ein gefährlicher und feindlicher Ort. Die Menschen halten Ausschau nach den Mächten, die diese Welt kontrollieren, und suchen sie zu besänftigen.«
    »Und existieren diese Mächte so, wie wir sie uns vorstellen?«
    fragte ich.
    »Meinst du, ob Jupiter ein majestätischer Mann mittleren Alters ist, der von Adlern bewacht wird? Hat Neptun blaues Haar und einen Dreispitz? Ist Venus eine sinnliche Frau mit unendlichen sexuellen Reizen?« Er kicherte. »Das haben wir von den Griechen, Decius.

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