Toedliche Saturnalien
komplizierte Geste zur Abwehr des bösen Blicks, die er als kleiner Junge von seiner sabinischen Kinderfrau gelernt haben mußte.
»Ein Hexenkult, was?« sagte er, als ich geendet hatte.
»Menschenopfer. Ein verborgener Mundus. Und römische Adelige sind in die Sache verwickelt?« Abwesend strich er über die Narbe, die sein Gesicht teilte, eine Geste, die darauf schließen ließ, daß er böse Absichten wider seine Feinde hegte.
»Das ist die Chance, Rom von seinen drei schlimmsten Frauen zu befreien. Sie müssen zumindest ins Exil. Nach diesen Vorfällen werden sie nie wieder in die Stadt zurückkehren können.«
»Vergiß den Mann nicht, der mir die Augen ausstechen wollte«, mahnte ich ihn.
»Ach, der. Ja, zu dumm, daß du sein Gesicht nicht gesehen hast«, erwiderte er der Form halber. Wenn man die Stadt von mordlustigen Männern hätte befreien wollen, hätte man die Türen des Senatsgebäudes während einer Sitzung verbarrikadieren und den ganzen Bau anzünden müssen. Mord war unter denen, die in Rom Rang und Namen hatten, eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Es waren nur die skandalösen Frauen, die Männer wie meinen Vater empörten.
Er legte seine Hände auf meine Schulter. »Paß auf, wir können uns nicht weiter so absondern. Sonst denken die Leute noch, wir würden irgend etwas Offizielles tun. Ich werde im Laufe des Tages die Aedilen beiseite nehmen, um die Sache mit ihnen zu besprechen.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist«, wandte ich ein. »Murenas Vorgehen in dem Mordfall Harmodia gefällt mir nicht. Aus irgendeinem Grund hat er den offiziellen Bericht verschwinden oder vernichten lassen. Entweder er hat etwas zu verbergen oder er schützt jemanden.«
»Du deutest zuviel in die Geschichte hinein«, meinte mein Vater. »Der Sklave, den man losgeschickt hat, das Schriftstück abzuholen, hat auf dem Weg zum Gericht wahrscheinlich bei einer Taverne Halt gemacht, sich betrunken und das Dokument verloren. So etwas passiert ständig. Es war bloß ein weiterer Mord an einem Niemand.«
»Aber«, fuhr er fort, »wenn es dich beruhigt, werde ich Murena meiden und mich nur mit Visellius Varro, Calpurnius Bestia und den anderen beraten. Mit Caesar sollte ich wohl auch sprechen, obwohl er wahrscheinlich vollauf damit beschäftigt ist, seinen Feldzug in Gallien vor zu bereiten, und sich nicht sonderlich dafür interessieren wird. Doch es ist seine Pflicht als Pontifex Maximus, eine Erklärung über die Gefahren verderblicher nichtstaatlicher Kulte abzugeben. Du solltest derweil deinen Ganoven-Freund Milo aufsuchen und ihn bitten, dir eine Leibwache zuzuteilen. Da dich die Sektierer weder getötet noch geblendet haben, suchen sie dich vielleicht immer noch.«
»Zu Milo kann ich nicht gehen!« sagte ich. »Er wird Fausta heiraten und reagiert völlig irrational, wenn es um sie geht.
Wenn ich drohe, sie öffentlich bloßzustellen, bringt vielleicht er mich um!«
Vater zuckte die Schultern. »Dann geh zu Statilius Taurus und leih dir ein paar von seinen Gladiatoren. Und jetzt komm mit.
Wir müssen unsere Glückwunschtour machen.«
Ich begleitete ihn zu einigen Häusern, kam jedoch nicht in die rechte Feiertagsstimmung. Außerdem hatte mein Vater recht unrealistische Vorstellungen. Was sollten mir ein paar gemietete Schläger nutzen, wenn die Leute, mit denen ich es zu tun hatte, auf Flüche und Gifte spezialisiert waren. Wegen ein paar Bauerntölpeln mit Dolchen machte ich mir, solange ich selbst bewaffnet und auf vertrautem Terrain war, wenig Sorgen. Aber die Vorstellung, genau darauf achten zu müssen, was ich aß und trank, war deprimierend. Glücklicher-Weise waren zum Feiertag überall Essensstände aufgebaut. was die Flüche anging, war ich mir nicht so sicher. Wie die meisten rationalen und gebildeten Menschen hegte ich Zweifel bezüglich der Wirksamkeit solcher Flüche. Andererseits fiel mein gesunder Menschenverstand unter dem Eindruck der Ereignisse der letzten beiden Tage ab wie Schuppen. Hexen konnten ihre Feinde angeblich mit Herz-, Leber-, Lungen- und weiß der Himmel was sonst noch für Leiden schlagen, konnten Blindheit und Impotenz verursachen.
Aber wenn sie all das konnten, fragte ich mich, wieso hatten sie dann überhaupt noch Feinde?
Am späten Vormittag gelang es mir, mich von meinem Vater und seiner Klientenschar loszueisen, aber als ich durch die Straßen schlenderte, verwandelte sich die fröhliche Festtagsstimmung vor meinen Augen in etwas düster
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