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Toedliche Spiele

Toedliche Spiele

Titel: Toedliche Spiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Collins
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hellt sich Gales Miene auf. »Danke, Prim. Das wird ein richtiges Festessen.« Plötzlich fällt er in den Kapitolakzent und macht Effie Trinket nach, die wahnsinnig gut gelaunte Frau, die jedes Jahr zur Ernte angereist kommt und die Namen verliest. »Fast hätte ich es vergessen! Fröhliche Hungerspiele!« Er zupft ein paar Brombeeren von den Büschen um uns herum. »Und möge das Glück ...«Er wirft eine Brombeere in hohem Bogen in meine Richtung.
    Ich fange sie mit dem Mund auf und lasse die feine Haut zwischen den Zähnen zerplatzen. Sofort breitet sich der süßsaure Geschmack auf meiner Zunge aus. »...
stets
mit euch sein!«, beende ich den Satz ebenso schwungvoll. Wir müssen uns darüber lustig machen; die Alternative wäre, vor Angst zu sterben.
    Außerdem ist der Kapitolakzent so gekünstelt, dass fast alles, was man darin sagt, lustig klingt.
    Ich sehe zu, wie Gale sein Messer herauszieht und das Brot in Scheiben schneidet. Er könnte mein Bruder sein. Glattes schwarzes Haar, olivenfarbene Haut, sogar unsere Augen sind ähnlich. Aber wir sind nicht verwandt, zumindest nicht nah. Die meisten Familien, die in den Minen arbeiten, sehen so aus.
    Deshalb wirken meine Mutter und Prim mit ihrem blonden Haar und den blauen Augen immer so fremd hier. Was sie auch sind. Die Verwandten meiner Mutter gehörten zu der kleinen Gruppe von Kaufleuten, die die Beamten, Friedenswächter und gelegentlichen Gäste im Saum versorgt. Sie führten eine Apotheke im hübscheren Teil von Distrikt 12. Da sich so gut wie niemand einen Arzt leisten kann, sind die Apotheker unsere Heiler. Mein Vater lernte meine Mutter kennen, weil er auf der Jagd manchmal Heilkräuter sammelte und sie ihnen verkaufte, damit sie daraus Arzneien herstellen konnten. Sie muss ihn sehr geliebt haben, sonst hätte sie ihr Zuhause nicht für den Saum verlassen. Ich versuche mich daran zu erinnern, wenn ich mal wieder nur die Frau sehe, die einfach nur dasaß, während ihre Kinder bis auf die Knochen abmagerten. Um meines Vaters willen versuche ich ihr zu vergeben. Aber ehrlich gesagt, ich bin nicht gut im Vergeben.
    Gale bestreicht die Brotscheiben mit dem weichen Ziegenkäse und garniert sie sorgfältig mit einem Basilikumblatt, während ich Beeren pflücke. Wir machen es uns in einer Felsnische gemütlich. Dort sind wir unsichtbar und haben doch freie Sicht auf das Tal, das nur so strotzt von sommerlichem Leben: Gemüse, das man ernten, Wurzeln, die man ausgraben kann, Fische, die im Sonnenlicht schillern. Ein herrlicher Tag, blauer Himmel und ein leichter Wind. Das Essen schmeckt köstlich, der Käse versickert in dem warmen Brot, die Beeren zerplatzen uns im Mund. Es wäre vollkommen, wenn das hier wirklich ein Feiertag wäre, wenn der liebe lange Tag nur dazu da wäre, mit Gale durch die Berge zu wandern und fürs Abendessen zu jagen. Stattdessen müssen wir um zwei auf dem Platz stehen und darauf warten, dass die Namen aufgerufen werden.
    »Wir könnten es tun, weißt du«, sagt Gale ruhig.
    »Was?«, frage ich.
    »Den Distrikt verlassen. Davonlaufen. Im Wald leben. Wir beide könnten es schaffen, du und ich zusammen«, sagt Gale.
    Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Die Idee ist so absurd.
    »Wenn wir nicht so viele Kinder hätten«, fügt er rasch hinzu.
    Er meint natürlich nicht unsere Kinder. Obwohl sie es sein könnten. Gales kleine Geschwister, zwei Brüder und eine Schwester. Prim. Unsere Mütter könnte man getrost auch dazurechnen, denn wovon sollten sie ohne uns leben? Wer würde diese Münder stopfen, die nach immer mehr verlangen? Wir gehen beide jeden Tag auf die Jagd, und dann sind da auch noch die Abende, an denen Wild gegen Schmalz oder Schnürsenkel oder Wolle eingetauscht werden muss und an denen wir trotzdem noch mit knurrendem Magen ins Bett gehen.
    »Ich will nie Kinder haben«, sage ich.
    »Ich eigentlich schon. Wenn ich nicht hier leben würde«, sagt Gale.
    »Du lebst aber hier«, sage ich gereizt.
    »Vergiss es«, sagt er schroff.
    Das Gespräch fühlt sich ganz falsch an. Weglaufen? Wie könnte ich Prim verlassen, die Einzige auf der Welt, von der ich genau weiß, dass ich sie liebe? Und Gale hängt auch sehr an seiner Familie. Wir können nicht weg. Weshalb also darüber reden? Und selbst wenn ... selbst wenn ... Wieso reden wir auf einmal davon, Kinder zu haben? Romantische Gefühle waren zwischen Gale und mir noch nie ein Thema. Als wir uns kennenlernten, war ich eine spindeldürre Zwölfjährige, und obwohl er nur

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