Tödlicher Puppenzauber
Vorzimmer des Mannes zu hocken und auf den geheimnisvollen Puppenmacher zu warten. Sir Harold sollte an einem Mittwoch sterben. Sicherheitshalber hatten wir ihn schon am Dienstag unter Kontrolle behalten. Da war natürlich nichts passiert. Weder im Büro, noch bei ihm zu Hause.
Wir hockten tagsüber nicht in seinem Arbeitszimmer. Trotz der Größe hatte man angeblich für uns keinen Platz gefunden. Wahrscheinlich sollten wir auch nicht mitbekommen, wie dieser Beamte, der von den Steuern arbeitender Menschen bezahlt wurde, seinen Tag verbrachte. Zeitungen jedenfalls waren genügend angeliefert worden. Eigentlich hatte er zwei Vorzimmer. Wir hielten uns in dem besseren auf, wo auch seine erste Sekretärin ihren Dienst tat, viel telefonierte, die meisten Anrufer abwimmelte, hin und wieder mal schrieb, Besucher empfing, aber keinen Kaffee kochte. Dies mußten die Mädchen aus dem zweiten Raum übernehmen.
Ich kannte mittlerweile das Muster der Holzdecke auswendig. Sie war in Quadrate aufgeteilt, wovon jedes eine andere Maserung aufwies. Auch Suko langweilte sich, bis er auf die Idee kam, sich ein Buch besorgen zu lassen, in das er sich vertiefte.
Es war ein Thema über asiatische Geschichte und Mythologie, das mich nicht unbedingt interessierte.
Die Chefsekretärin war auch nicht eben gesprächig. Sie gehörte zu den Frauen, die ihre Jugend bereits hinter sich hatten, wirkte dennoch sehr gepflegt, trug stets ihr Kostüm, dessen Stoff nicht die kleinste Falte warf, und bedachte uns hin und wieder mit etwas unwilligen Blicken. Wir störten sie ebenso, wie sie uns auf den Geist ging. Der Job hielt uns zusammen.
Gegen Mittag verließ ich den Ledersessel, blieb stehen und reckte mich. Suko schaute von seinem Buch hoch, die Sekretärin peilte mich über den Brillenrand hinweg an. Es war ein strafender Blick, den sie mir schickte.
»Ich habe Hunger, stellen Sie sich das mal vor.«
»Es ist auch Mittag.«
»Natürlich, Miß Ferguson.«
»Bring mir was mit.«
Suko hatte ebenfalls zugehört und ließ sein Buch sinken. »Was denn?«
»Irgendeinen Salat.«
»Sie auch, Miß Ferguson?«
»Nein, danke.«
»Wie Sie wollen.«
Ich grinste Suko zu und verließ das Vorzimmer, um durch das andere zu gehen.
Hier arbeiteten jüngere Frauen. Sie hämmerten auf ihren Maschinen, als gelte es, einen Weltrekord zu brechen. »Gebt auf eure Fingernägel acht, Mädels«, sagte ich im Vorbeigehen.
»Wieso?«
»Die knicken sonst.«
Sie arbeiteten weiter und verzogen nicht einmal die Lippen zu einem Lächeln.
Wahrscheinlich wurde man so, wenn man in einer Behörde arbeitete. Zwar hingen Suko und ich auch oft genug im Büro, wir jedoch hatten uns einen gewissen Humor bewahrt und gingen den Papierkram-Job auch viel cooler an.
In der Kantine, die im Kellergeschoß lag, hatten sich zahlreiche Angestellte des Ministeriums versammelt. Sie sahen irgendwie alle gleich aus. Ziemlich blaß, jeder trug ein Jackett, eine Krawatte, die Hose möglichst grau, die Jacke blau oder leicht gestreift. Furchtbar…
Ich stellte mich in die Reihe. Als frisch gekochtes Gericht gab es Rindfleisch. Es sah aus, wie schon mal gegessen, und deshalb verzichtete ich.
Suko wollte Salat, den stellte ich auf ein Tablett. Ich kaufte mir einen Hering und nahm auch Saft mit. An der Kasse zahlte ich, um danach nicht zu den Tischen zu gehen und mich dort hinzusetzen. Mein Weg führte wieder nach oben.
Keine der Vorzimmerperlen öffnete mir die Für, so daß ich die Klinke mit dem Ellbogen nach unten drücken mußte.
»So, du Hungerkünstler, hier bin…«
Das nächste Wort blieb mir im Halse stecken. Die Szenerie hatte sich schlagartig verändert.
Miß Ferguson war über ihrem Schreibtisch zusammengebrochen. Suko lag neben dem Sessel und rührte sich nicht mehr.
Die Tür zu Sir Harold Evers' Raum aber stand offen!
***
Ich schleuderte das Tablett zur Seite. Der Salat und die Getränke landeten irgendwo in der Ecke. Aus dem zweiten Vorzimmer hörte ich spitze Schreie, weil die beiden Perlen wohl gesehen hatten, was los war. Ich riß die Beretta aus der Halfter, stürmte allerdings nicht wie ein Irrer in den Raum, sondern blieb an der Tür stehen.
Für einen Menschen war das Büro eigentlich zu groß. Die Regale reichten vom Fußboden bis an die holzgetäfelte Decke. Eines der drei Fenster stand spaltbreit offen. Mitten im Raum stand der breite Holzschreibtisch, hinter dem Sir Harold in einer verdammt unnatürlichen Lage saß. Zurückgebeugt, mit dem Rücken gegen
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