Tödlicher Puppenzauber
die weiche Lehne gepreßt, das Gesicht bleich und trotzdem aufgequollen und in Höhe der Stirn leicht gerötet. Seine Hände lagen noch auf der Schreibtischplatte, als hätte sie jemand dort festgenagelt.
Auf dem Kopf hockte ein bunter Schmetterling.
Das war nicht alles. Am schlimmsten sah die Puppe aus, die ihren Platz auf der Brust des Mannes gefunden hatte und die Arme derart weit vorgestreckt hielt, daß sie mit ihren kleinen Händen gegen die Kehle des Beamten drücken konnte.
Hatte sie ihn erwürgt?
Innerhalb einer Sekunde nahm ich diese Eindrücke auf und handelte blitzartig.
Schießen konnte ich nicht. Unter Umständen hätte ich Sir Harold getroffen.
Ich jagte auf den Schreibtisch zu, holte zu einem Rundschlag aus und wuchtete meine Faust gegen den Puppenkörper, der in seinem blauen Samtkleid niedlich wirkte.
Aber auch tödlich war.
Die Wucht des Schlages fegte die Puppe zu Boden. Ihre kleinen Hände hatten sich derart fest am Hals des Mannes verkrallt gehabt, daß noch einige Fetzen zwischen den Fingern hängenblieben und am Hals kleine Wunden hinterließen. Um Sir Harold konnte ich mich nicht kümmern, die Puppe war wichtiger. Sie lag auf dem dicken Teppich und überrollte sich, um eine andere Haltung einzunehmen.
Woher sie dieses kleine Blasrohr hatte, wußte ich nicht. Jedenfalls preßte sie das hintere Ende gegen ihren Mund, sorgte für den nötigen Druck, den der Pfeil haben mußte, um aus dem Rohr zu sausen. Er war genau auf mich gezielt.
Ich drehte mich zur Seite, der Pfeil fehlte, dann sprang ich vor und trat mit dem rechten Fuß zu. Quer setzte ich die Schuhsohle auf den Puppenkörper. Unter dem Kleiderstoff knackte es. Das Gesicht der Puppe verzerrte sich, als würde sie Schmerzen spüren, ich nahm den Fuß wieder hoch und rechnete damit, die Puppe erledigt zu haben. Ein Irrtum.
Blitzschnell war sie auf den Beinen, die ich nicht zerknackt hatte. Mit einem Satz sprang sie auf den Schreibtisch und von dort aus in Richtung des offenstehenden Fensters.
Ich schoß hinter ihr her.
Die geweihte Kugel der Beretta erwischte sie genau am Hinterkopf, der zersplitterte wie eine Nußschale. Im nächsten Augenblick blendete mich ein strahlendes Licht, dann zerfiel die Puppe vor meinen Augen zu gelbweißem Staub.
Aus den linken Augenwinkeln bekam ich mit, daß sich auch der Schmetterling in zahlreiche Staubkörner auflöste, die sich auch auf Sir Harolds grauem Haar verteilten.
Ich drehte mich um, weil ich ihn mir ansehen wollte. Wie zwei Vollidioten stürmten Sicherheitskräfte mit schußbereiten Waffen in den Raum und trieben mich in eine Ecke. Sie sahen aus, als wollten sie mich zusammenschlagen.
»Rühr dich nicht, verdammt!«
Einer der Kerle stand vor mir wie Don Johnson als Miami-Vice-Bulle. Geduckt, die Arme vorgestreckt, die schwere Kanone mit beiden Händen festhaltend.
Der zweite untersuchte seinen Chef. Ich sah, wie er sich wieder aufrichtete. Die Augen geweitet, das Gesicht totenblaß. »Er… er ist tot!« meldete er mit tonloser Stimme.
»Tot?« kreischten die Mädchen aus dem Vorzimmer von der Für her.
»Sir Harold ist tot?«
»Ja.«
»Mein Gott, wir…« Sie konnten nichts mehr sagen und wankten zurück.
Ich griff ein. »Hören Sie, Meister! Ich habe ihn nicht gekillt. Ich bin hier, um…«
»Hör auf, Mann!«
»Wollen Sie meinen Ausweis sehen?«
»Okay.«
Ich warf die Hülle vor seine Füße. Er kannte sich aus und senkte die Kanone.
Ich hob den Ausweis wieder auf und steckte ihn weg. Dann schaute ich mir die Leiche an.
Sir Harold war talsächlich erwürgt worden. Die Puppe hatte es mit ihren kleinen Händen geschafft, ihn zu töten. Welch eine Kraft mußte in diesem Körper stecken!
Ich dachte daran, daß sie durch meine Silberkugel zu Staub zerfallen war. Demnach hatte ich es hier nicht mit einer normalen Puppe zu tun und auch nicht mit einem ferngelenkten Wesen, sondern mit einer Figur, die allein auf Schwarze Magie reagierte.
Obwohl mir im Angesicht des Toten nicht danach zumute war, mußte ich leise lachen. Sir James, der uns den Auftrag zugeschanzt hatte, hatte wieder einmal den richtigen Riecher bewiesen.
Ich wandte mich an die beiden Sicherheitsleute. »Sie stellen sich vor die Tür und riegeln ab. Alles weitere übernehme ich. Das Alarmieren der Mordkommission und so weiter.«
»Wir müssen noch anderen Bescheid geben.«
»Nein, es ist mein Job. Wenn Sie den Ausweis richtig studierten, werden Sie lesen, daß ich gewisse Sondervollmachten besitze.«
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