Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
Vom Netzwerk:
Wärme, von der ich wusste, dass sie da war, nicht spüren. »Wer war es?«, fragte sie, lehnte sich zurück und nahm mein Gesicht in beide Hände. »Sag mir, wer’s war. Deine Tante kümmert sich darum.«
    »Er wohnt nicht hier. Er ist in der Schule. Ich hatte Ärger.«
    Sie erstarrte und lehnte sich noch weiter zurück.
    »Ein weißer Mann?«
    Ich nickte und sagte noch einmal: »Ich hatte Ärger.«
    Sie ließ mich los, und ihre Miene wurde seltsam leer, wie ich es noch nie gesehen hatte. Ihre Hände sanken in den Schoß. Sie kniete immer noch vor mir. »Ein weißer Mann.« Sie schloss die Augen wie im Gebet, atmete langsam ein und schlug sie wieder auf. »Hör zu. Hör mir genau zu. Niemand hat dich angerührt. Du bist ein braves, sauberes Mädchen. Mit dir ist alles gut. Hörst du?«
    Ich nickte. Sie nickte ebenfalls und kam mühsam auf die Füße; es knackte in ihren Knien.
    »So ist es recht. Dir ist nichts passiert. Du hältst dich einfach fern von diesem Mann. Du hältst dich fern von ihm, immer, und dir passiert nichts.«
    Wieder nickte ich. Meine Ohren fühlten sich komisch an. Heiß. Als könnte ich jeden Moment fallen, als würde der Boden unter mir nachgeben. Doch ich blieb stehen.
    »Und deine Mama braucht davon nichts zu wissen. Verstehst du? Du weißt, was sie alles um die Ohren hat, mit dem neuen Baby und so weiter. Da muss sie von dieser Sache nicht auch noch hören. Hast du das verstanden?«
    Ich nickte. Plötzlich kamen mir meine Zähne im Mund viel zu groß vor. Ich wusste nichts von einem Baby. Tante Helene wischte sich die Hände am Kleid ab und hinterließ kleine feuchte Spuren von Schweiß.
    »Und nun Schluss damit. Dir geht es gut. Alles ist gut.« Damit wandte sie sich ab, trat an die Spüle, schaute aus dem kleinen Fenster, fingerte an einer ihrer Haarnadeln herum und murmelte etwas, das ich nicht verstand. Nach einer Weile drehte sie sich wieder zu mir um. »Du bist doch schon ein großes Mädchen, oder?« Ich nickte. »Du bist stark. Wie alt bist du jetzt, sieben?«
    »Acht.«
    »Siehst du«, sagte sie und nickte entschieden. »Ein großes Mädchen von acht Jahren, das mit allem fertig wird.« Nun neigte sie den Kopf. »Hast du Zeug von ihm abgekriegt? Aus seinem Ding?«
    Ich nickte.
    »Dann wollen wir dich waschen.« Sie ließ Wasser in die Wanne und wusch mich von Kopf bis Fuß, als wäre ich ein Kleinkind. »Oh, mein Gott«, sagte sie und schnappte nach Luft, als sie das Blut sah. »Aber jetzt blutest du nicht mehr. Jetzt geht es dir wieder gut. Hundertprozentig.«
    An dem Nachmittag haben wir kein Wort mehr darüber verloren. Ich habe mir Meine drei Söhne und Die Jetsons angeschaut, während sie meine Zöpfe aufmachte, mein Haarbürstete und neu flocht, fest und gleichmäßig, und die Satinbänder zu schönen Schleifen band. Dann strich sie mir mit beiden Händen über Wangen und Arme und murmelte: »Du bist wunderhübsch, so hübsch wie am Tag deiner Geburt. Es ist nichts passiert.« Ich starrte stumm auf den Fernsehschirm.
    Als ich gehen musste, brachte sie mich an die Tür, vergewisserte sich, dass ich meine Schultasche hatte und dass mein Schlüssel wie gewohnt an seinem Band um meinen Hals hing. Sie beugte sich noch einmal zu mir herunter und sagte: »Du bist ein gutes, sauberes Mädchen. Da gibt es keinen Zweifel. Nun gehst du nach Hause und machst deiner Mama keinen Kummer, hörst du?«
    Ich nickte. »Ja, Tante.« Und dann ging ich davon.
    »Gib auf dich acht, Kind!«, rief sie mir nach, aber ich habe mich nicht noch einmal umgedreht.
    Als ich in unsere Wohnung kam, saß meine Mutter am Tisch, hatte den Kopf auf die Arme gelegt und schlief. Die Schuhe, die sie immer zum Putzen trug, hatte sie abgestreift, sie lagen gleich neben ihren Füßen. Ich berührte sie am Arm, und sie wachte sofort auf.
    »Mamá«, flüsterte ich, »du bekommst ein Baby?«
    Sie sah sehr müde aus, aber ihre Augen leuchteten, und sie lächelte. » Sí, mi’jita, un hermanito o una hermanita para ti . Hilfst du mir, einen Namen zu finden, wenn es da ist?«
    »Oh, sí, sí«, sagte ich aufgeregt. Ein Kätzchen durfte ich nicht haben, das war in den Projects nicht erlaubt. Ein Baby war fast genauso gut. Monatelang schrieb ich Listen mit Namen für ein Mädchen oder einen Jungen.
    Aber das Baby ist gestorben, bevor es zur Welt kommen konnte. Meine Mutter musste sechs Tage im Krankenhaus bleiben, und danach konnte sie nicht mehr schwanger werden.
    Blake Lanusse ist zu Boden gegangen. Er blutet. Schnell

Weitere Kostenlose Bücher