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Herbstfrost

Herbstfrost

Titel: Herbstfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Gracher
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EINS
    Gendarmeriemajor Oskar Jacobi erfüllte seiner Tochter
Nadine so manche Wünsche. So auch solche, die sich auf die Neugestaltung ihres
Zimmers bezogen. Paps hatte sich überhaupt sehr zu seinem Vorteil verändert,
fand Nadine. Nur noch selten ließ er den Erzieher raushängen, aber in einem
Punkt war er unerbittlich: An ihrem Schlafzimmer, dem ehemaligen Gästezimmer,
durfte nichts verändert werden. Absolut nichts! Dabei passte der
neoklassizistische Stil so gar nicht zu einem fast siebzehnjährigen Mädchen,
das hip sein wollte. Melanie, Paps’ Freundin, sagte das auch, nur Alex und
Oskar waren nicht dieser Meinung.
    Alex Wohltan, Sohn gut situierter Eltern und HAK -Schüler
in der Matura-Klasse, war ein supercooler Typ, doch sein Geschmack war etwas
verstaubt – wie der von Paps. Stur behauptete er, ansprechendes Design sei
nicht etwas, das der Zeitgeist dazu mache. Im Gegenteil: Guter Stil und
Qualität seien zeitlos. Typisch Alex! Na ja, beim Sohn einer Kunsthistorikerin
nicht unbedingt eine Überraschung. Hauptsache, ihm gefiel das Schlafzimmer.
    Zugegeben, das superbequeme Himmelbett und die riesigen Schränke und
Truhen hatten was. Aber selbst diese Vorteile wogen nicht auf, dass sie,
Nadine, ein solches Schlafzimmer niemandem zeigen konnte. Auf betretenes
Schweigen oder verlegenes Grinsen als Reaktion hatte sie nämlich keinen Bock.
Allein die Deckenmalerei »Artemis und ihre Gespielinnen beim Bad«: Einfach
ätzend! Gott sei Dank konnte sie den Schinken nicht sehen, wenn sie im Bett
lag.
    ***
    Der laute Seufzer ließ ihren Patenonkel, Chefinspektor Hans
Weider, irritiert hochblicken. Mit der Tischplatte verschraubte er eben das
letzte Teil an einem ergonomischen Schreibtisch. Geistesgegenwärtig versuchte
Nadine ein Lächeln. Hans durfte ihre gemischten Gefühle nicht in den falschen
Hals kriegen. Paps war handwerklich nicht ungeschickt, reichte aber als
Heimwerker bei Weitem nicht an seinen Freund und Kollegen heran. Kunststück!
Hans war Tischler gewesen, ehe er sich bei der Gendarmerie beworben hatte. Eine
akut gewordene Lack- und Stauballergie hatte ihn zum Berufswechsel gezwungen.
    Letztes Wochenende hatte Hans den Parkettboden verlegt, diesen
Samstag sämtliche Vertäfelungen montiert und die Möbel zusammengebaut. Alex und
Nadine waren ihm dabei zur Hand gegangen, so gut es ihnen eben möglich gewesen
war.
    »So, fertig!« Hans Weider erhob sich aus der knienden Stellung.
»Jetzt fehlen nur noch die Vorhänge. Helft ihr mir, den Schreibtisch vors
Fenster zu stellen?«
    Nadines Miene hellte sich auf, und Alex und sie fassten mit an.
    Schließlich war alles an seinem Platz. »Na, Gott sei Dank, du
lächelst wieder«, sagte Weider. »Eben noch hatte ich fast den Eindruck, das
Zimmer gefällt dir nicht. Jedenfalls nicht so, wie es sollte.«
    Sie umarmte ihn und drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange.
»Ach, Hans, sag doch so was nicht! Es ist einfach super und genau so , wie ich es haben wollte.«
    »Ja, es ist wirklich megacool, Hans«, bestätigte Alex.
    Weider kniff ein Auge zu und flüsterte verschwörerisch: »Noch cooler
wär es allerdings, wenn auch das Schlafzimmer in diesem Stil eingerichtet wär,
nicht wahr?«
    »Erwischt«, lachte Nadine gequält. »Aber es lohnt sich nicht,
darüber zu diskutieren. Außerdem wäre es undankbar Paps gegenüber.«
    Weider schmunzelte. »Ich glaube auch, du kannst mit dem Erreichten
zufrieden sein. Schade, dass Oskar und Melanie nicht da sind. Dieser Mord an
dem Wohnbau-Treuhand-Fuzzi ist eine verdammt harte Nuss. Nimmt uns ganz schön
in Anspruch. Morgen hab ich schon wieder Sonntagsdienst. Aber was ist nun mit
der Jause?«, fragte er unvermittelt. »Ich glaube, die haben wir uns redlich
verdient.«
    »Steht alles drüben in der Küche«, sagte Alexander. »Ich hab das
Clausthaler nur ein bisschen gekühlt, wie du es magst. Wir können auch auf die
Terrasse –«
    Weider winkte ab. »Lass nur, Alex. Wär schön auf der Terrasse, aber
ich muss wegen der übertauchten Grippe ein bisschen aufpassen.«
    ***
    Während der Jause griff Weider das Schlafzimmer-Thema noch
einmal auf. »Hat dein Vater eigentlich nie mit dir darüber gesprochen, warum er
das Gästezimmer in dem Zustand lassen will?«
    »Doch, hat er«, sagte Nadine. »Ein einziges Mal. Ich weiß, dass
früher beide Schlafzimmer bis auf die Deckenmalereien identisch waren. Aber vor
neun Jahren, als ich noch bei Mom gewohnt hab, hat jemand versucht, Paps mit
einer Ladung Tonarit in die Luft

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