Toedliches Blut
Vatikans nehmen sie treue
Männer gefangen, versuchen ein Geständnis zu erwirken und
vollstrecken dann ihr eigenes Urteil.“
„ Und wie hast du mich da
herausgeholt?“
„ Ich habe vor einiger Zeit
Shamus kennengelernt, er und einige Mitglieder seines Clans kämpfen
gegen Obsta Nocte. Sie schleusen Mittelsmänner ein und versuchen, die
Gruppierung von innen heraus zu schädigen“, erklärte Richard
seinem Bruder, der sichtlich nervöser wurde.
„ Shamus, der Dämon? Was hat
er mit mir angestellt?“
„ Er ist kein Dämon. Er ist
ein Vampir. Er hat dich verwandelt – nur durch deinen Tod
konnten wir dich aus den Fängen des Inquisitors befreien.“
Wäre Nicholas nicht schon
knochenbleich gewesen, wäre er spätestens jetzt blass geworden. „Was
heißt das?“
Richard erklärte ihm, was es
bedeutet, ein Vampir zu sein. Es bedeutete Wiedergeburt, ewiges Leben
und unermessliche Kraft, aber auch eine Existenz in der Finsternis.
„Doch du wirst nicht alleine sein“, sagte Richard zum
Schluss.
Nicholas verstand. Richard hatte
sich längst der dunklen Seite zugewandt. Doch war diese Seite so viel
schlechter als die christliche, die er bislang kennengelernt hatte?
Im Kreuzzug, beim Niederschlachten vermeintlich Ungläubiger und beim
Meucheln Unschuldiger durch die Hand der Inquisition?
„ Komm Bruder, du musst dich
stärken“, unterbrach Richard Nicholas Gedanken und führte ihn
aus dem Schlafgemach. Im Nebenzimmer wartete eine bildschöne
Rothaarige, die bereitwillig ihren nackten Hals darbot. Instinktiv
wusste Nicholas, was er brauchte. Er bohrte seine spitzen Eckzähne in
die zarte Haut und ihr heißes Blut erfüllte ihn mit einer
Wärme, die das schönste Sonnenlicht nicht schenken kann.
***
London im November, heute
„Das war außerordentlich
gute Arbeit, Sophie! Wir sind wirklich sehr stolz, Sie an unserer
Universität beschäftigen zu dürfen“, sagte Professor Alfred
Moody zu Sophie O´Donall. Es war ein anstrengender Tag gewesen,
an dem die junge Wissenschaftlerin zwei Vorträge über ihre neuste
Arbeit, das Verhalten des Epstein-Barr-Virus, gehalten hatte. Endlich
waren sämtliche Gäste und Kollegen, nachdem alle Fragen gestellt und
beantwortet worden waren, gegangen und wieder Ruhe im Labor
eingekehrt.
„Die Fachwelt redet von einem
Durchbruch in der modernen Wissenschaft, und es wird schon gemunkelt,
dass Sie bestimmt einmal den Nobelpreis für diese Arbeit bekommen
werden“, ergänzte der Professor euphorisch.
„Ich fühle mich sehr
geschmeichelt, Professor, aber ich möchte mich für heute
verabschieden. Es war ein anstrengender Tag und die letzten Monate
haben mich viel Kraft gekostet. Ich brauche diesen zweiwöchigen
Urlaub wirklich dringend“, erwiderte Sophie lächelnd, nahm ihre
Tasche und ging aus dem Labor.
Über den einsamen Parkplatz ging
Sophie so spät am Abend nicht gerne, deshalb summte sie irgendein
Lied vor sich her, um sich von ihren mulmigen Gefühlen abzulenken.
Diese Nacht war auch ganz besonders unheimlich. Eine fahle Mondsichel
konnte man durch die dichten Nebelschwaden nur erahnen. Die alten
Kastanienbäume, die den Parkplatz umringten, streckten bedrohlich
ihre kahlen Äste nach den parkenden Autos aus. Der Nebel lag über dem
gesamten Parkplatz und die Atmosphäre war furchtbar bedrohlich.
Sophie war umso beruhigter als sie nur noch wenige Schritte von ihrem
kleinen roten Sportwagen entfernt war, der mit seinen frechen Kurven
der Düsterheit zu trotzen schien. Sie lief gerade an einem schwarzen
Van mit verdunkelten Scheiben vorbei, als sie begann in ihrer
Handtasche nach dem Autoschlüssel zu kramen. Sie hörte, wie sich die
Tür des Van aufschob und wie aus dem Nichts standen plötzlich zwei
Gestalten direkt vor ihr. Einer von ihnen stülpte ihr einen Sack über
den Kopf, der andere ergriff ihre Arme und hielt ihr die Hände hinter
dem Rücken fest. Sophie fing sofort an zu schreien, was ihre Lungen
hergaben, doch keiner konnte sie hören auf diesem einsamen Parkplatz.
Die Männer stießen sie unsanft
ins Auto und fuhren mit ihr in die Nacht. Sophie war schrecklich
aufgeregt und hatte Angst, sie konnte nicht begreifen, was soeben mit
ihr geschehen war.
„Hilfe! Hilfe!“, schrie
sie immer wieder mit greller Stimme.
Mit einem osteuropäischen Akzent
sagte einer der beiden Männer ganz ruhig, aber sehr eindringlich zu
ihr: „Hör auf zu schreien, dann ist gut, schreist du weiter,
ist nicht gut.“
Seine kratzige Stimme wirkte so
einschüchternd
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