Toedliches Erbe
geschehen?«
»Bald vielleicht«, sagte Kate. »Aber nicht gleich.«
»Es liegt noch der ganze Sommer vor uns. Aber ich hoffe, Sie im Herbst zu einem Lunch einladen zu können. Können Sie mir ein wenig Hoffnung machen, daß Sie meiner Einladung folgen werden?«
»Ich hoffe es, Max. Lassen wir es dabei.«
»Gute Nacht, meine Liebe. Gute Nacht, Reed.«
Kate hörte, wie Reed Max zur Tür brachte, die Männer sich ver-abschiedeten und die Tür ins Schloß fiel.
»Möchtest du sie lesen?« fragte Kate.
»Nein. Nur wenn etwas besonders Bemerkenswertes darin steht.
Irgendwie habe ich die ganze Geschichte satt.«
»Ich weiß. Und doch möchte ich sie unbedingt lesen, Reed. Bin ich ein Ekel? Ja, das bin ich. Aber ich habe das Gefühl, Gerry Marston ist nicht ganz so sinnlos gestorben, wenn man die Briefe eines Tages schließlich lesen kann.«
»Wenn er sie nach ihrem Tod aufbewahrt hat, dann hätte er sie in jedem Fall aufbewahrt, und eines Tages wären sie dann auch gelesen worden. Noch nie habe ich von einem unsinnigeren Tod gehört.«
Kate legte die Briefe wieder auf den Tisch. »Da hast du recht.«
»Aber ich habe nicht das Recht, dich eines unter diesen Umständen absolut gerechtfertigten Vergnügens zu berauben. Du weißt, ich kann nicht anders, als ganz offen zu dir sein, aber keinen Augenblick habe ich gedacht, du solltest die Briefe nicht lesen.« Er ging aus dem Zimmer, und Kate griff wieder nach der Mappe.
143
»Die Frage ist«, las Kate in der Mitte eines der Whitmore-Briefe in ihrer kindlichen Handschrift, »welcher Aufgabe man sein Leben widmen kann und soll. Ich laufe Gefahr, in Selbstmitleid und Selbst-gefälligkeit zu verfallen. Aber ich habe ein Gefühl von Schicksalhaf-tigkeit, Wut und Trotz. Ich glaube manchmal, Männer wissen nichts vom Leben und haben die Frauen so viele Jahrhunderte hindurch unterdrückt, damit diese das nicht merken. Cecily, Cecily, ich schwadroniere, aber was bist Du doch für ein Engel. Ich werde das Kind bekommen – das ist beschlossene Sache, und ich bete zu Gott, daß es ein Junge wird, der sein Schicksal klar und präzise vor sich sieht. Ist es nicht eigentümlich, daß keine von uns sich eine Tochter wünscht? Du willst die Jungen aus der Nachbarschaft, die im Krieg umgebracht wurden, ersetzen, so wie ich mir einen Bruder ersetzen will. Frederica zieht einfach Männer jeden Alters vor. Wenn es mehr Frauen wie uns gäbe, wäre das anders, wirst Du gleich einwenden.
Aber wie viele gibt es davon? Frederica hat ihrem Mann wenigstens schon einen Sohn geschenkt. Hätte er eine Tochter abgelehnt, was meinst Du? Irgendwo las ich, daß alle Eltern, könnten sie das Geschlecht ihrer Kinder bestimmen, sich für einen Jungen als erstes Kind entschieden.«
Kate fühlte sich plötzlich nach Somerville zurückversetzt. Es sah der Whitmore so ähnlich, gleich auf das Geschlecht von Kindern zu kommen und nicht, wie man erwartet hätte, auf ihre Legitimität.
Doch beim Weiterblättern stieß Kate auf einen Brief, in dem es um diese Frage ging. »Nein, Cecily, ich werde dem Vater nichts sagen.
Warum sollte ich? Es war meine Entscheidung, mein Risiko, und ich werde das Kind gebären. Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht zu fragen, und warum sollte er auch? Ich habe ihn kaum ermutigt, größeres persönliches Interesse an mir zu entwickeln, oder ihn glauben lassen, daß ich tiefe Leidenschaft für ihn empfinde. Es ist Unsinn zu glauben, man könnte an dem einen Mann wiedergutmachen, was man einem anderen genommen oder worum die Welt ihn betrogen hat. Weil ich – zu jung und zu dumm, um seine Leidenschaft zu erkennen - Gerald um seine Liebe zu mir betrogen habe, versuche ich jetzt wie eine Närrin, es an diesem armen Teufel wiedergutzuma-chen. Rosalind hatte recht: Männer sterben von Zeit zu Zeit, und dann fressen sie die Würmer. Aber sie sterben nicht aus Liebe.«
Nein, dachte Kate, nicht aus Liebe, kaum aus Liebe. Immer aus Haß oder Stolz oder Eitelkeit oder Selbstschutz.
Zum Schluß berichtete die Whitmore Cecily von Fredericas An-144
gebot, das Kind als ihr eigenes anzunehmen, »selbst wenn es ein Mädchen ist«. Es war wirklich erstaunlich, mit welcher Bitterkeit die Whitmore diesen Punkt immer wieder betonte. Frederica hatte er-klärt, ihre Freiheit sei nicht so sehr in Gefahr wie die von Dorothy, und sie habe auch nicht die Möglichkeit, durch ihre Arbeit so viel zu erreichen. Wie hätte sie ahnen sollen, daß die Whitmore nur noch zehn Jahre zu leben hatte?
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