Toedliches Erbe
Angenommen, ich verspreche, Ihnen diese Briefe in ein paar Wochen zu geben – ich habe sie fortgeschafft und kann nicht einfach hingehen und sie mir schnell wieder besorgen, obwohl ich mich bemühen werde –, und überlasse sie Ihnen zur Aufbewahrung und Entsiegelung. Habe ich Ihr und Reeds Wort, daß von alldem nichts nach außen dringt, nie wieder, was auch passiert?«
»Warum sollte ich mein Wort geben? Bedenken Sie, daß ich die Trümpfe in der Hand halte.«
»Weil ich hier bei Ihnen bin und nicht gerade offiziellen Besuch von der Bezirksstaatsanwaltschaft bekommen habe. Oder wäre das Büro der obersten Ermittlungsbehörde von Maine zuständig, wie immer das auch heißen mag? Müssen wir alles Schritt für Schritt durchgehen? Sie wollen die Briefe der Nachwelt erhalten sehen, obwohl ich nicht glaube, daß dies notgedrungen der einzige Weg ist, um an sie heranzukommen. Ich will sicher sein, daß ich niemals des Mordes beschuldigt werde. Geht es etwa noch komplizierter?«
»Na gut«, sagte Kate, die sich bewußt war, daß sie in dieser Aus-einandersetzung von Anfang bis Ende keine besonders gute Figur gemacht hatte. »Lassen wir es dabei. Ich werde mit Mr. Sparrow besprechen, daß die versiegelten Briefe bei ihm hinterlegt werden.
Und ich werde auch in Zukunft keine weiteren Zahlungen von Ihnen 138
fordern. Meine Erpressung ist eine einmalige Angelegenheit.«
»Das sagen ohne Zweifel die meisten Erpresser.«
»Ohne Zweifel. Aber ich bin ich. Das werden Sie mir glauben müssen, falls Sie überhaupt etwas glauben.«
»Das sind Sie, Kate. Das stimmt. Sie haben mein Wort: Die Briefe werden bald in Ihren Händen sein. Und ich habe Ihr Wort, daß sie zu meinen Lebzeiten niemand anderem in die Hände fallen.«
»Einverstanden«, sagte Kate, ergriff aber seine ausgestreckte Hand nicht. Langsam und errötend zog er sie zurück und ging durch das ungemähte Gras hinaus zu seinem Wagen, in dem der Chauffeur auf ihn wartete.
»Und was wird er jetzt tun?« wandte Kate sich an Reed. »Angenommen, er vernichtet die Briefe einfach und leugnet die ganze Geschichte? Was wird dann aus meinen Beweisen?«
»Das wird nicht passieren, es sei denn, es ist ihm das Gerede über Mord und seine uneheliche Geburt wert. Nach deiner Schlußfolgerung will er aber verhindern, daß die Wahrheit ans Licht kommt, solange er lebt und sich ihr stellen müßte. Also wird er kaum wollen, daß du sie zusammen mit dem Mordvorwurf herumerzählst.«
»Reed. Hältst du es etwa für möglich, daß er sich umbringt?«
»Ich glaube kaum. Aber wird in dem Spiel, das du da spielst, der Missetäter nicht immer mit einem alten Armeerevolver in der Bibliothek alleingelassen?«
»Reed, du magst Max nicht. Ich habe das nie gemerkt.«
»Ich auch nicht. Nun, da du es erwähnst: nein, ich mag ihn überhaupt nicht. Aber es wäre kein guter Vorschlag, überhaupt nicht mehr an ihn zu denken, also laß uns zumindest nicht mehr über ihn reden. Schaffen wir das?«
»Könnte sein«, sagte Kate.
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Vierter Teil
Juni
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Vierzehn
F ast acht Tage waren seit dem Treffen in der Hütte vergangen, und Kate befürchtete langsam, daß Max kniff. Merkwürdigerweise hielt sie ihn für fähig, schwerste Verbrechen zu begehen, konnte aber weder glauben, daß er sein Wort brechen noch eine Vereinbarung nicht einhalten oder Papiere von historischem Wert vernichten könn-te. Das nennt man dann wohl Ganovenehre, dachte sie. Trotzdem durchforschte sie die Todesanzeigen in der Tageszeitung und eilte ein wenig schneller und ängstlicher ans Telefon als gewöhnlich.
Am Abend des 1. Juni rief er plötzlich an und fragte, ob er auf einen Brandy vorbeikommen könne. Kate sah, wie Reed ihr vom anderen Ende des Raumes zunickte, und antwortete, sie würden sich freuen, ihn zu sehen.
Als er kam – so wohlerzogen und adrett und selbstbeherrscht wie immer –, wurde Kate klar: Sie hatte mit Schimären gekämpft.
»Ich bitte um Entschuldigung, daß ich so lange gebraucht habe.
Ich war verhindert und hoffe, Sie verzeihen. Man sollte nicht auf der einen Seite seine Dienste anbieten und sie auf der anderen Seite als Entschuldigung benutzen, daß man andere Verpflichtungen nicht einhält. Tatsache ist, daß ich Randolph Brazen bei seinem Buch geholfen habe. Er ist alt und braucht etwas intellektuelle Unterstützung. Aber es wird ein beachtenswertes Buch, da bin ich ganz sicher.
Als ich ihm sagte, ich käme dadurch zu spät zu einer Verabredung, bestand er darauf, mir eine
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