Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
Nachricht für Sie mitzugeben.«
    Randolph Brazen war Amerikas berühmtester Kolumnist gewesen zu einer Zeit, als politische Leitartikler als wahre Größen auf Erden galten. Kate erinnerte sich, daß in ihrer Familie sein Name so ausgesprochen wurde wie früher wohl das Orakel von Delphi. »Ich wußte gar nicht, daß er noch lebt«, gab sie zu und ließ sich den Brief von Max reichen. Sie las ihn laut vor. »›An diejenigen, die einen berechtigten Anspruch auf Max’ Zeit haben: Ich bitte um Nachsicht dafür, daß ich ihn länger als vorgesehen festgehalten habe. Er war mir in der Tat eine große Hilfe, und ich danke ihm für seine Freundlichkeit. Ich würde es als eine persönliche Gunst ansehen, wenn Sie ihm seine Säumigkeit nachsehen könnten, für die ganz allein ich verantwortlich bin.‹ Wo wohnt er?« fragte Kate.
    »In Wilton, Connecticut, in einem schönen alten Haus. Dort hat er auch all seine Unterlagen. Wenn man seine vierzig Jahre alten 141

    Kolumnen liest, wird einem klar, was für einen Verlust es für uns bedeutet, daß wir heute so einen Mann nicht mehr haben. Er besaß das, was heutzutage nur noch wenig gilt: gesunden Menschenvers-tand.« Max ließ diese Bemerkung in die Stille hineinfallen. Dann ging er in den Flur, holte einen festen Umschlag – Max trug natürlich nicht so etwas Ordinäres wie einen Aktenkoffer mit sich herum
    – und zog eine Mappe heraus. »Die Briefe«, sagte er. »Alle, die Cecily damals von Dorothy Whitmore bekommen hat. Von meiner Mutter, also von Frederica, waren keine dabei. Cecily muß sie entweder vernichtet oder Frederica zurückgegeben haben. Aus ver-schiedenen Andeutungen halte ich das für wahrscheinlich. Aber meine Mutter muß sie dann ihrerseits vernichtet haben, denn sie sind nie wieder aufgetaucht. Die Briefe von der Whitmore sind aber, wenn Sie so wollen, Beweis genug.«
    »Darf ich einen Blick hineinwerfen?« fragte Kate.
    »Ich hoffe, Sie lesen sie aufmerksam«, sagte Max. »Ich hätte gern Ihre Bestätigung, zumindest für mich persönlich, daß die Mappe einigermaßen vollständig ist. Nein, Sie brauchen sich hier nicht auf mein Wort zu verlassen, auch wenn Sie es haben. Lesen Sie.«
    »Später«, sagte Kate. Sie öffnete die Mappe und erkannte sofort Dorothy Whitmores Handschrift, der sie so häufig in Somerville begegnet war. Es war eine seltsam kindliche Schrift, die mal nach der einen, dann wieder nach der anderen Seite fiel, als hätte Dorothy den Versuch aufgegeben, unverwechselbar zu sein, und wollte nur ihre Gedanken zu Papier bringen. Kate hatte erfahren, daß ihre Lehrer sich über ihre schlechte Syntax und noch schlechtere Rechtschreibung beklagt hatten, aber inzwischen war ihre Schrift nicht mehr so unleserlich – vielleicht weil sie sicherer in Inhalt und Ausdruck geworden war. Kate legte die Mappe auf den Tisch.
    »Wie wäre es mit einem Brandy?« fragte Reed.
    »Danke, gern«, sagte Max. Er saß schweigend neben Kate, bis Reed ihm den Schwenker reichte. »Wie nett. Die richtige Art, einen guten Brandy zu trinken. Man kann das Aroma schon vorab genie-
    ßen. Auf Sie, meine Liebe.«
    »Auf die Whitmore«, sagte Kate. Sie trank Scotch, und das Aroma war ihr im Augenblick ziemlich gleichgültig. Jetzt hatte sie endlich die so ersehnte Erlaubnis, die Briefe zu lesen, und konnte sich kaum noch zurückhalten. Sie brauchte ihre ganze Selbstbeherrschung (Reed hätte dazu wohl bemerkt, daß sie nicht allzuviel davon besaß), um Max nicht wütend anzustarren, während er sich an seinem Bran-142

    dy festhielt, ihn zärtlich in dem großen Glas schwenkte und ab und zu einen winzigen Schluck nahm. Sie hatte das Gefühl, daß Max wußte, was in ihr vorging, dies aber keineswegs sein gemächliches Vergnügen an dem Drink minderte. Er hatte sogar ein Gespräch über ein politisches Thema begonnen, während er das Glas zwischen den Händen wärmte. Kate hatte gerade beschlossen, einfach aufzustehen, dringende Arbeiten vorzuschützen und Reed (der ihm schließlich den Brandy in dem lächerlichen Glas kredenzt hatte) das Feld zu überlassen, als Max plötzlich austrank und sich erhob. Er verbeugte sich leicht vor Kate.
    »Danke, meine Liebe, für Ihr Vertrauen und Ihre Geduld. Ich brauche wohl kaum zu betonen, wie betrübt ich über den Unfall Ihrer Studentin bin und immer sein werde. Glauben Sie mir, jetzt, da Sie die ganze Wahrheit über mich kennen, daß auch das der Wahrheit entspricht. Können wir uns bald wiedersehen, als wäre dies alles nicht

Weitere Kostenlose Bücher