Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliches Rätsel

Tödliches Rätsel

Titel: Tödliches Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
kahl wie Eier, waren dabei ertappt worden, wie sie innerhalb der Stadtgrenzen ihrem Gewerbe nachgingen, und jetzt wurden sie in einer Reihe durch die Stadt geführt; ein Sackpfeifer marschierte vor ihnen her, und seine gellende Musik ließ das Getöse ringsumher verstummen. Die Huren in ihren Kitteln waren mit Seilen aneinandergefesselt und wurden von einem Büttel eskortiert, der einen Fischkorb mit ihren scharlachroten Perücken trug, während hinter ihnen ein Junge die Trommel schlug. Eine ganze Horde von Straßenbengeln lief hinterdrein und sucht nach einer Gelegenheit für Dummheiten. Danach kamen andere Missetäter: Diebe, Beutelschneider und Einbrecher, allesamt hinten an einen Karren gebunden. Die herabgelassenen Hosen schlotterten ihnen um die Füße, und ein schwitzender Büttel schlug sie mit dünnen Streifen von Eschenholz.
    Endlich war die jammervolle Prozession vorüber, und Athelstan setzte seinen Weg zur London Bridge fort. Er wanderte zwischen den Läden und Häusern zu beiden Seiten dahin, bis er zur Kapelle von St. Thomas à Becket kam. Dort machte er Halt und trat ins kühle Dunkel der Kapelle. Gleich hinter der Tür setzte er sich hin und starrte zu dem großen Kruzifix hinauf, das über dem Altar hing. Er war sicher, daß Chapler hier ermordet worden war. Der Pater Prior mußte davon erfahren, damit die Kirche gereinigt und neu geweiht werden konnte. Athelstan schloß die Augen und sprach ein Gebet für Chapler und die anderen Opfer und auch eines für Sir John und für sich selbst. Hoffentlich würde der Sanctus-Mann dabei helfen können, die Posse in St. Erconwald aufzuklären.
    Athelstan verließ die Kapelle. Er überquerte den Fluß vollends, und in Southwark angekommen, begab er sich durch das Gewirr der Gassen nach St. Erconwald. Er hatte darum gebetet, daß ein Wunder geschehen und Watkin und seine Kumpane zur Besinnung gekommen sein möchten, aber die Lage war noch schlimmer als in seinen kühnsten Befürchtungen.
    Vor der Kirchentreppe waren Stände aufgestellt worden, und weitere Reliquienhändler waren erschienen, ihre schäbige Ware auf Tabletts gestapelt, die sie an Riemen um den Hals trugen. Cecily, die Kurtisane, unterhielt sich mit einem fahlgesichtigen jungen Mann am Friedhofstor; davor standen Watkin und Tab, der Kesselflicker, Wache.
    Athelstan kochte vor Wut. »Darf ich den ausborgen?«
    Er wandte sich an einen überraschten Pilger, der einen langen Stock aus Eschenholz trug. Der Mann machte große Augen und wollte protestieren, aber Athelstan hatte ihm den Stock schon entrissen und marschierte mit großen Schritten auf die Kirche zu, wobei er den Stock von links nach rechts schwenkte, daß Höker und Reliquienhändler nach allen Seiten auseinanderstoben. Der junge Mann, der sich mit Cecily unterhalten hatte, sah die Wut in Athelstans Blick und floh wie ein Windhund in die nächstbeste Gasse, und die Leute, die darauf warteten, Zutritt auf dem Friedhof zu bekommen, besannen sich eines besseren und traten bang zur Seite.
    »Aber, aber, Bruder!« Watkin wölbte die Brust. Athelstan sah, daß er einen Teil der Erträge bereits in Bier umgesetzt hatte. »Aber, aber, Bruder, Recht muß Recht bleiben!«
    »Dies ist das Haus Gottes!« rief Athelstan und warf Watkin seinen Stab zu, den dieser geschickt auffing.
    »Halte die Reliquienhändler und alle anderen, die aus menschlicher Habgier und Schwäche ihren Gewinn saugen, fern von den Türen meiner Kirche!«
    »Pater, Ihr solltet unsere Reliquie segnen!«
    »Oh, die werde ich schon noch segnen.« Athelstan richtete den Zeigefinger auf Watkin. »Mach dir deswegen keine Sorgen. Sieh nur zu, daß ihr alle hier seid, wenn die Glocke zur Vesper läutet. Mehr habe ich dazu im Augenblick nicht zu sagen.«
    Er ging in den Stall, wo Philomel an der Wand lehnte und träge kaute, wie er es immer tat. Athelstan sprach ein Weilchen mit ihm und ging dann ins Pfarrhaus hinüber. Es war sauber und aufgeräumt. Bonaventura war offenbar auf die Jagd gegangen.
    »Oder er besichtigt die verdammte Reliquie!« knurrte Athelstan.
    Er setzte sich auf einen Schemel, schloß die Augen und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Dann trank er ein wenig Ale, aß etwas Brot und Käse und stieg danach in seine Dachkammer hinauf, wo er sich auf die Bettkante setzte, in Richard von Wallingfords Buch las und dabei die kunstfertigen Skizzen und Zeichnungen bewunderte.
    »Wenn diese Angelegenheit vorüber ist«, sagte er laut, »werde ich den Pater Prior um einen

Weitere Kostenlose Bücher