Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
kleinen Bildschirm seines Computers zu starren. Er hatte die Ergebnisse seiner Recherchen zusammengefasst und versuchte gerade, Licht in die verschiedenen Geschäfte von Milan Drakovic zu bringen.
Hajek überflog das Geschriebene schnell: Da war die E-Mail von seinem Kollegen Tony Braun aus Linz, der ihm allgemeine Informationen über Royal International geschickt hatte. Keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse, aber gutes Background-Material. Der Hinweis auf den illegalen Club mit den Live Fights war da schon interessanter, aber im Augenblick nutzte ihm diese Information herzlich wenig. Ein anderer Kollege von EUROPOL hatte ihn auf eine Verbindung von Milan Drakovic zu einem ukrainischen Konsortium aufmerksam gemacht und diese Spur erwies sich als vielversprechender.
Milan Drakovic war im Begriff gewesen, sich aus dem Royal-Imperium zu lösen und auf eigene Rechnung Geschäfte mit dem Osten zu machen. Diese Geschäfte umfassten in erster Linie Drogen- und Waffenhandel und Geldwäsche. Deshalb war auch EUROPOL auf ihn aufmerksam geworden. Doch Milan Drakovic erfreute sich der Gunst diverser Geheimdienste in den ehemaligen sowjetischen Kaukasus-Staaten und daher gab es weder Indizien noch Beweise für seine kriminellen Geschäfte.
Aber die Tatsache, dass Milan Drakovic im Begriff war, hinter dem Rücken von Royal International sein eigenes kriminelles Imperium aufzubauen, sprach für den Verdacht von Tony Braun, dass vielleicht Bogdan Drakovic hinter dem Mord steckte. Im Grunde war es ganz logisch, dachte er: Bogdan Drakovic erhält die Informationen über die Geschäfte seines Cousins, beauftragt einen Killer, ihn möglichst blutrünstig zu beseitigen, um den Mord wie die Tat eines Irren aussehen zu lassen.
Tony Braun hatte also intuitiv Recht gehabt, Bogdan Drakovic besaß ein Motiv!
Ziemlich schlau, dieser Bogdan Drakovic, dachte Hajek und kramte jetzt in seinen verstaubten Akten, förderte ein schmales Dossier aus den neunziger Jahren zu Tage, das sich mit dem brutalen Überfall auf einen Geschäftsmann befasste. Dieser Geschäftsmann, selbst kein unbeschriebenes Blatt und als Hehler und Erpresser amtsbekannt, war im südböhmischen Krumau brutal zusammengeschlagen worden, musste mehrere Monate im Spital und anschließend in einer Reha-Klinik verbringen. Milan Drakovic war zum fraglichen Zeitpunkt vor Ort und konnte auch mit dem Überfall anhand von Zeugenaussagen und Blutspuren in Verbindung gebracht werden. Doch als es darum ging, Untersuchungshaft über ihn zu verhängen, konnten sich die Zeugen an nichts mehr erinnern und auch seine Blutproben waren merkwürdigerweise verschwunden. Milan Drakovic musste daher freigelassen werden und hatte seitdem nichts mehr mit der Polizei zu tun gehabt. Die Anzeige eines Spitals, in der stand, dass Milan Drakovic seine Freundin krankenhausreif geprügelt hatte, war später von ihr selbst zurückgezogen worden.
Seufzend ging Hajek zum Fenster und sah auf den Hradschin, der ausnahmsweise nicht nebelverhangen war, sondern im Sonnenlicht funkelte. Er dachte an Tony Braun, den er insgeheim für seine Erfolge, vor allem aber für sein souveränes Auftreten bewunderte. Tony Braun ist das totale Gegenteil von mir, dachte Hajek, er hat eine Familie, während ich noch immer bei meiner alten Mutter in einer mit altmodischen Möbeln vollgestellten Dreizimmerwohnung hause.
Langsam ließ er den Blick durch sein Büro schweifen, blieb an den Bildern des Mordes an Milan Drakovic hängen, sah weiter zu seinem Schreibtisch und erinnerte sich jetzt wieder an eine Akte, die ihm seine Sekretärin gestern Abend auf den Tisch gelegt hatte: ein rechtsradikaler Anschlag mit einem Todesopfer, den sein Kollege Dubcek bearbeitete. Er blätterte den Akt durch, betrachtete die Fotos, las die Zusammenfassung, überflog die Namen, verharrte kurz und griff sich das vergilbte Krumau-Dossier, las, verglich, überprüfte Daten, kein Zweifel, es handelte sich um ein und dieselbe Person – Vaclav Nemec.
„Herr Kommissar!“, riss ihn die Stimme seiner Sekretärin aus seinen Überlegungen.
„Was gibt es, Hanna?“, fragte er unwirsch und sah unverwandt in ihre Augen, um nicht ständig in ihren viel zu tiefen Ausschnitt zu starren.
„Wir haben das Handy des ermordeten Milan Drakovic aktiviert, wegen der Nummern. Vor Kurzem hat jemand aus Linz angerufen, die Nummer ist gespeichert. Seine Freundin, sie heißt ...“
„Yurika Mekas“, unterbrach Hajek seine Sekretärin. „Ich weiß! Rufen Sie
Weitere Kostenlose Bücher