Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
erzählt. Er hatte sie nach einem Heulkrampf in den Arm genommen und ihr ins Ohr geflüstert: „Lass es einfach so, wie es ist, genieße den Augenblick, dann bist du glücklich und nur dieses Glück zählt.“
Langsam schaute sie auf und sah Richard direkt in die Augen.
„Nein, das hat nichts mit Marc zu tun, das war mein Vater. Er hat uns einen lukrativen Auftrag für die Agentur vermittelt und das Geld können wir gut gebrauchen. Wir müssen allerdings ohne Stefan Szabo arbeiten.“
„Das schaffen wir schon!“, munterte sie Richard Marx auf.
*
Nach seinem täglichen Ritual mit Kebab und Bier beim Anatolu Grill fuhr Tony Braun motiviert ins Polizeipräsidium und dachte an das bevorstehende Treffen mit Richard Marx. Seine Stimmung verdüsterte sich schlagartig, als er auf seinem Schreibtisch einen an ihn persönlich adressierten Brief mit dem wohlbekannten Logo des Vormundschaftsgerichts vorfand.
Mit zusammengekniffenem Mund las er das amtliche Dokument, in dem ihm in dürren Worten mitgeteilt wurde, dass ein Termin mit Richter, Psychiaterin, dem Anwalt seiner Ex-Frau und Tony Braun fixiert worden war. Sollte er diesen Termin nicht wahrnehmen, würde das alleinige Sorgerecht für seinen Sohn Jimmy auf Dauer der Mutter zugesprochen werden. Der Termin war bereits in wenigen Tagen.
Derzeit hatte seine Exfrau schon das alleinige Sorgerecht für Jimmy und sie setzte alles daran, dass es auch so blieb. In ihren Augen war er ein egozentrischer Polizist, der nur seine Arbeit kannte und sich für ein geregeltes Familienleben nicht im Geringsten interessierte. Für ihn gab es nur Tote und Mörder, seine liebsten Aufenthaltsorte waren ihrer Meinung nach Tatorte und die Gerichtsmedizin.
Höhepunkt seiner Besessenheit war in ihren Augen jener Freitag vor zwei Jahren, als er seinen Sohn von der Schule abholte, um dann mit seiner Familie einen Kurzurlaub in Grado zu verbringen. Während er auf dem Weg nach Hause war, klingelte sein Handy. Eine Schießerei mit zwei Toten in einem hauptsächlich von Afrikanern bewohnten Haus in der Linzer City.
Da er ganz in der Nähe war, raste er ohne nachzudenken an den Tatort, stieg, den zehnjährigen Jimmy an seiner Hand, die muffige Treppe hoch bis in den dritten Stock mit zwei gegenüberliegenden Türen. Zwei Polizisten warteten vor dem linken Eingang auf ihn. Einer der beiden hockte leichenblass auf dem Boden, vor sich sein übel riechendes Erbrochenes, in dem noch halb aufgeweichte Kebabreste schwammen.
„Er hat noch keine Leiche ohne Kopf gesehen. Das war einfach zu viel für ihn!“, entschuldigte der andere Polizist seinen Kollegen. Braun nickte kurz, streifte sich Latexhandschuhe über und tippte die Tür auf. Er stand sofort mitten in einer Küche, die auch gleichzeitig als Bad diente, wie er an der Duschkabine in einer Ecke erkannte. Hier deutete nichts auf eine Gewalttat hin. Anders allerdings in dem Wohnschlafzimmer mit Blick in den vermüllten Innenhof. Auf einem primitiven Bett an der Wand lag die Leiche eines Afrikaners, wie er an den Armen erkennen konnte, denn vom Kopf war so gut wie nichts übrig geblieben. Ein klebrig rotgrauer, verschleimter Brei hing unförmig von den Schultern, die Wand dahinter war von der Gehirnmasse schmutzig grau gesprenkelt und kleine Knochensplitter des Schädels lagen verstreut über der Bettdecke. Selbst Tony Braun, der schon einige Mordopfer gesehen hatte, konnte bei diesem Anblick nur mühsam seinen Brechreiz unterdrücken. Der andere Tote war ebenfalls schwarz und saß in einem ramponierten Lehnstuhl. Seine Gesichtszüge waren verzerrt, die leblosen Augen weit aufgerissen und glasig vor Entsetzen. Mit beiden Händen hielt er noch im Tod das formlose Gewirr seiner zerplatzten Organe und hervorquellenden Gedärme zurück, die sich einen Weg aus dem zerfetzten Oberkörper gebahnt hatten.
Erschossen aus nächster Nähe mit einer großkalibrigen Waffe. Eine 45er-Magnum oder eine Pumpgun, konstatierte Tony Braun und wollte sich gerade die kopflose Leiche vornehmen, als der Gerichtsmediziner und das Spurensicherungsteam eintrafen.
„Ist das der richtige Ort für deinen Sohn, Tony?“
Der anklagende Tonfall des Gerichtsmediziners riss ihn zurück in die Gegenwart. Genauer gesagt in das Leben seines zehnjährigen Jungen, der wachsbleich, mit schreckgeweiteten Augen hinter ihm im Zimmer auf die Leichen starrte und so stark zitterte, dass seine Zähne klappernd aufeinanderschlugen. Er hatte völlig auf seinen Sohn vergessen. Am Montag
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