Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
lebensgefährlich von den Decken hingen.
„Ist Anna Lange zu sprechen!“, brüllte er durch die leere Rezeption, nachdem er heftig schnaufend in der fünften Etage angekommen war. Niemand schien ihn zu hören, Hip-Hop-Sound wummerte aus dem hinteren Teil der Agentur, ließ den Boden erzittern und so merkte er auch nicht, dass plötzlich jemand hinter ihm stand.
„Gehen wir nach nebenan, da ist es ruhiger“, sagte Anna Lange, ohne ihm die Hand zu reichen. Sie drehte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort hinter einer Glastür.
Sie ist immer noch beleidigt wegen der Sache mit ihrem Vater!, dachte Braun. Ich habe aber nur meine Pflicht getan und jetzt ist es nicht anders!
Er folgte ihr in einen großen Besprechungsraum mit bunt zusammengewürfelten Möbeln.
„Es geht um deinen Vater“, sagte er, ohne sich mit Einleitungsfloskeln aufzuhalten, warf seine Ausdrucke auf den Ameisentisch und deutete auf eines der Bilder.
„Das ist dein Vater! Und das ist Bogdan Drakovic“, stellte er fest.
„Danke, Chefinspektor! Ich weiß, wie mein Vater aussieht und den Mann daneben kenne ich nicht!“
„Das ist ein Screenshot von einer illegalen Homepage. Ein sogenannter Live Fight. Arbeitslose prügeln sich dort zu Tode und man kann auf sie wetten! Das macht dein Vater!“, redete er wütend auf sie ein.
„Ich bin nicht für meinen Vater verantwortlich!“, erwiderte sie patzig, aber er bemerkte, wie sie heftig schluckte.
„Ist das alles? Wollen Sie ihn jetzt festnehmen und alles sofort den Journalisten erzählen, so wie damals? Vielleicht auch mich als Mitwisserin verhaften?“ Provokant hielt sie ihm beide Hände entgegen und starrte ihn wütend an.
„Ich will dich nur warnen! Dein Vater ist in sehr, sehr schlechter Gesellschaft. Viel schlechter als damals!“ Er stockte, als er ihre versteinerte Miene bemerkte.
„Ich musste damals einfach so handeln! Es gab keine andere Möglichkeit!“, redete er weiter und strich sich wie gewohnt mit beiden Händen durch seine Haare. „Im Nachhinein tut es mir leid! Verstehst du, es tut mir leid!“
„Ich kann auf Ihr Mitleid verzichten und hören Sie auf, mich zu duzen! Ich bin nicht Ihr kleines Mädchen!“, fauchte sie ihn an, stemmte die Arme in ihre Hüften und streckte sich übertrieben. Jetzt waren sie beide fast gleich groß und standen sich gegenüber, wortlos, angespannt, jederzeit bereit, etwas zu tun, was sie später bereuen würden.
„Dieser Mann schadet Ihrem Vater!“, nahm er einen neuen Anlauf. „Bogdan Drakovic geht über Leichen! Er wird auch Ihren Vater noch weiter in den Abgrund reißen! Ich weiß es!“
Seine insistierende Stimme schien sie nachdenklich zu stimmen.
„Bleiben wir doch besser beim Du“, sagte sie plötzlich unvermittelt. „Seltsam, mein Vater hat mich heute Morgen angerufen, ich habe seit Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen. Er hat meiner Agentur einen Auftrag bei Royal International vermittelt und dabei auch den Namen Drakovic erwähnt.“
„Scheiße, Scheiße, Scheiße! Du arbeitest für Royal International?“ Braun ging zur Rostbar hinüber, betrachtete die Ansammlung leerer Weinflaschen und den Staub, der alles mit einer dünnen Schicht bedeckt hatte. Fast wie bei mir, dachte er, drehte sich dann wieder zu ihr um und seine Vergangenheit ging ihm durch den Kopf: Seine Zeit bei der Drogenfahndung und die Durchsuchung eines Bauernhofes, in dem ein kleines Ecstasy-Labor eingerichtet war und die merkwürdige Begründung des Dealers, dass er auf diese Weise die Schulden seines toten Bruders abarbeiten musste, der sich wegen eines korrupten Politikers erhängt hatte. Er war damals noch ein Gerechtigkeitsfanatiker, recherchierte den Fall und stieß auf Stanislaus Lange und eine Mauer des Schweigens. Seine Entscheidung, die Presse zu informieren, dass der Europaparlamentarier Stanislaus Lange Fördergelder veruntreut hatte, um seine Wettsucht zu finanzieren und dass ein unschuldiger Biobauer deshalb Selbstmord begangen hatte, bereute er heute. Aber dass die Staatsanwaltschaft in Zusammenarbeit mit Politikern die Sache unter den Tisch kehren wollte, um die EU-Skepsis der Bürger nicht noch weiter zu verstärken, und dass wie immer alles im Sande verlaufen wäre, das war damals einfach zu viel für ihn. Er spielte einer großen Boulevard-Zeitung Informationen zu, vergaß dabei aber auf seine Anonymität zu pochen. Die Zeitung veröffentlichte darin sein Foto mit der Bildunterschrift „Der Unbestechliche“. Er hatte zwar
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