Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
ausgeschaltet.
„War wohl nichts!“ Achselzuckend stand sie auf, blieb vor dem wackeligen Warhol-Kuhschrank stehen, drehte sich dann zu Richard. „Ich fahre bei ihm zu Hause vorbei. Dann komme ich auch auf andere Gedanken. Hier in der Agentur werde ich sonst noch wahnsinnig vor Nervosität.“
Am Hafen war der Verkehr wie üblich zum Erliegen gekommen und Anna kramte die unterschiedlichsten CDs aus dem Handschuhfach ihres Mini. Aber sie war nicht in Stimmung, sich mit Musik positiv hochzupushen, ständig kreisten ihre Gedanken um die Kosten und die bevorstehende Präsentation bei Royal International. Es war ein ständiges Auf und Ab, gewann die Agentur einen neuen Kunden, beendete ein anderer die Zusammenarbeit. Es war ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gab.
Der Verkehr wurde flüssiger und sie konnte endlich Gas geben. Die Straße führte jetzt unter Felshängen an der Donau entlang, üppige Baumkronen verdeckten den Himmel und ließen die Sonne nur manchmal durchblitzen. Schon nach wenigen Kilometern hatte sich die Umgebung verändert und die Lagerhallen und Bürokomplexe des Hafenviertels waren einer düsteren und wilden Auenlandschaft gewichen. Vor einer verfallenen Scheune führte ein unbefestigter Schotterweg einen kleinen Hügel hinauf, auf dessen Kuppe das Haus von Stefan Szabo zwischen den dunklen Bäumen hervorlugte. Ein lang gestreckter Bau, der mit seinem schwarzen, tief heruntergezogenen Dach an einen auf Beute lauernden Raubvogel erinnerte. Sie fuhr an einigen niedrigen Häusern vorbei, die sich im Schatten hoher Bäume duckten und selbst an diesem Sonnentag im Dunkeln lagen, dann hatte sie ihr Ziel erreicht.
Als sie vor Szabos Haus anhielt und aus dem Mini stieg, war die Luft feucht und dunstig, nur manchmal bahnte sich ein Sonnenstrahl seinen Weg durch das dichte Laub der Äste und brach sich schillernd in schlammigen Pfützen. Szabo schien bei seinem Haus den Kampf gegen die Natur aufgegeben zu haben. Eine überdimensionierte Hecke wucherte wild bis auf den Weg und hätte dringend eine gestalterische Hand gebraucht. Das Gartentor hing schief in den Angeln und stand halb offen. Auch der Rasen war schon seit Längerem nicht mehr gemäht worden und ungestutzte Zierbäume und Gestrüpp reichten bis an die Hausmauern. Das schwarze Dach war mit Moos überwuchert und von den grau gestrichenen Wänden blätterte der Verputz ab. Die fensterlose Straßenfront wirkte auf sie düster und abweisend.
Seitlich am Haus entdeckte sie die Eingangstür und sie ging über unkrautüberwucherte und teilweise gesprungene Betonplatten darauf zu. Das Holz der Tür war verblichen, der große runde Türknauf rostig. Suchend blickte sich Anna nach einer Klingel um, konnte aber keine finden. Sie blieb einen Augenblick unschlüssig vor dem Eingang stehen, dann ging sie an der Hausmauer entlang und gelangte über eine brüchige Betontreppe in den oberen Garten. Auch hier war schon seit längerer Zeit nichts mehr gemacht worden. Billige Sonnenliegen aus weißem Plastik standen im hohen Gras und ein zerrissener Sonnenschirm flatterte im Wind. In diesem Teil des Gartens schienen die Bäume noch höher und dichter zu sein und die Äste reichten bis zum Haus. Nur vor der Terrasse waren die Bäume gefällt worden und die Sonne leuchtete grell auf den ungepflegten Rasen. Der Blick zur Terrasse war durch einen wuchernden Strauch verdeckt. Als Anna daran vorbeiging, sah sie den Pool und musste unwillkürlich schlucken.
Sie stand wie angewurzelt vor dem Swimmingpool, der direkt an die Terrasse anschloss und zu gut zwei Dritteln mit Erde aufgefüllt war. Dünne weiße Linien durchzogen den Boden, die ständig ihre Form veränderten, sich zu Quadraten, Rechtecken, Linien und Rastern formierten. Die klumpige Erde glänzte feucht und schien sich mit diesen Linien zu bewegen, wellenförmig zu wogen, abzusacken und aufzusteigen. Vorsichtig trat sie näher an den Pool heran und die weißen Linien verwandelten sich in ein Gewimmel aus weißen Würmern und Maden, die sich um den verfaulten Kadaver eines toten Vogels formierten, in ihn hineinschlüpften und aus ihm herauskrochen. Am gegenüberliegenden Rand bildeten abgebrannte Teelichter ein gespenstisches Kreuz in der Erde und eine von den Maden halb skelettierte verweste Maus verströmte einen fauligen Gestank. In der Mitte hatte jemand aus vermoderten Holzstücken das Wort „Myra“ gebildet und mit kleinen rostigen Blechdöschen eingefasst. Eine fette Kröte saß regungslos
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