Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
Kantinengespräch für die nächsten Tage!“ Doch das konnte ihm egal sein, denn er würde die nächsten Tage oder vielleicht Wochen kein Präsidium, keine Polizistenwitze, Kantinengespräche, keine nervtötenden Verhöre mehr mitbekommen. Er brauchte sich nicht mehr mit Intrigen, Vertuschungen, Korruption und Karrieregeilheit herumschlagen, er hatte jede Menge Freizeit!
Als er an das Wort Freizeit dachte, durchzuckte es ihn siedendheiß. Freizeit bedeutete auch, Zeit für sich zu haben oder diese mit der Familie zu verbringen – das war der springende Punkt: Tony Braun hatte nicht die leiseste Ahnung, was er mit seiner Freizeit anfangen sollte.
„Ich bin auch in meinem Scheißurlaub jederzeit erreichbar! Macht bloß in der Zwischenzeit keinen Mist!“, verabschiedete er sich dann von Gruber und war wieder ganz der Alte.
*
Anna Lange lief in der Recreation Zone der Agentur auf und ab, versuchte die Informationen zu verarbeiten, irgendwie auf die Reihe zu bekommen. Langsam begann sich ihr analytischer Verstand wieder durchzusetzen.
Verdammt! Ich habe alles unter Kontrolle!, dachte sie und versuchte, die aufkommende Panik zu unterdrücken.
Aber die ganze Angelegenheit Tony Braun zu überlassen und selbst hier in der Agentur zu warten und die Hände in den Schoß zu legen, während ihr Vater im Gefängnis saß – das konnte so nicht sein. Sie musste handeln und selbst etwas über die Hintergründe des Mordes herausfinden!
Früher hatte sie sich nie eingemischt, immer alles logisch überlegt, selbst als ihre Mutter gestorben war.
Natürlich erinnerte sie sich noch an die vielen Anrufe ihrer Mutter, an die ständigen Einladungen nach Marbella in das licht- und sonnendurchflutete Apartment, in das sich ihre Mutter nach dem Zusammenbruch ihrer Familien- und Lebenslüge zurückgezogen hatte. Aber sie hatte diese Einladungen nie angenommen, sie hatte nie daran gedacht, dass ihre Mutter innerlich zerbrochen war, dass sie es einfach nicht verkraftete, dass ihr Puppenhaus rücksichtslos zerstört worden war.
Dann war ihre Mutter an einer Überdosis Beruhigungsmittel gestorben, hatte es satt gehabt, der Vergangenheit nachzutrauern, hatte es einfach satt gehabt, alleine unter der spanischen Sonne die Zeit totzuschlagen, sie wurde immer kraftloser und starb – einsam und an gebrochenem Herzen.
Zum Teufel mit der Kontrolle! Sie strich sich durch ihre wie elektrisierte Korkenzieher wegstehenden roten Locken und die Sommersprossen auf ihrer Nase kamen in dieser Stresssituation noch stärker zum Vorschein.
Als sie das Handy auf den Ameisentisch legte, fiel ihr plötzlich wieder die Nachricht von Alex Huber auf ihrer Mailbox ein. Ohne zu zögern wählte sie die Nummer, er war sofort am Apparat. Sie besprachen Details der Abreise, vereinbarten eine Uhrzeit und zum Schluss erinnerte er sie noch einmal, nicht die Strategiepapiere und Layouts für Royal International zu vergessen. „Business as usual“, meinte er lapidar, als sie den Mord erwähnte und er schien Bogdan Drakovic keine Träne nachzuweinen.
Zielgerichtet ging Anna nach dem Telefonat nach nebenan zu Richard Marx, der hinter seinen Bildschirmen lümmelte und chromglänzende phallusartige Silos für eine Imagebroschüre zusammenbaute, mit der sie einen unschlüssigen Kunden doch noch begeistern wollten.
„Du musst dich um die Agentur kümmern, Richard. Ich fliege noch heute Abend mit Alex Huber nach Palma, um den Job für die Agentur zu retten!“ Sie schob Jobmappen, Ausdrucke und Scribbles einfach zur Seite, setzte sich auf einen Drehstuhl und sagte: „Ich brauche das Corporate Design, das du für Royal International entworfen hast, professionell auf unsere Präsentationssheets aufgezogen. Das Strategiepapier maile ich dir, integriere es dann in das Design.“
Richard nickte, klopfte dabei ständig auf die Taschen seiner Cargohosen, wie immer auf der Suche nach einer Zigarettenpackung.
„Hol dir Stefan Szabo zur Verstärkung, wenn du einen kreativen Input brauchst. Grafische Unterstützung hast du ja“, fuhr sie fort und deutete mit dem Kopf zu einem Praktikanten, der umständlich Notizkärtchen für Anna Langes Friseur layoutete. Richard nickte nur unbestimmt, öffnete mehrmals den Mund, entschied sich aber dann doch zu schweigen.
„Was gibt es noch?“, fragte sie.
„Stimmt es, dass die Polizei deinen Vater verhaftet hat?“, fragte er zögernd, zündete sich eine Zigarette an und blickte nervös den Rauchkreisen nach, die sich an der hohen
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