Töten ist ganz einfach: Thriller (German Edition)
Metern von der Dunkelheit verschluckt wurde. In diesem Augenblick beneidete er Szabo für seine Zukunft. Manche hatten eben immer unverschämt viel Glück, dachte er, aber ich gehöre ganz bestimmt nicht dazu.
*
Anna Lange war noch nie in der privaten Abfertigungshalle des Linzer Flughafens gewesen. Die schwere, abgewetzte Ledertasche mit ihren wichtigsten Utensilien hatte sie über die Schulter gehängt, die Mappe mit Layouts unter den Arm geklemmt und den peinlich pinkfarbenen Trolley zog sie hinter sich her. Nervös blickte sie auf die Uhr an der Wand, sie hatte sich natürlich wieder verspätet. Das Telefonat mit Marc, der sie ganz selbstverständlich heute Abend sehen wollte, war ein wenig aus dem Ruder gelaufen. Schließlich hatte sie nach einer patzigen Antwort: „Das ist meine Entscheidung!“ aufgelegt. Wider erwarten fühlte sie sich jetzt aber bedeutend besser und sie hatte seit Langem wieder ein Gefühl von Freiheit. Es war, als hätte sie die Ketten gesprengt, die ihr Leben jahrelang eingeengt hatten, die ihr nur einen begrenzten Radius erlaubten und sie immer wieder aufs Neue von Marc abhängig machten.
„Schön, dass Sie so spontan zusagen konnten“, hörte sie eine Stimme hinter ihrem Rücken. Erschrocken drehte sie sich um und ließ dabei die Mappe fallen.
„Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken“, sagte Alex Huber. Beide bückten sich und wären um ein Haar mit den Köpfen zusammengestoßen.
„Es ist nur der Stress, ich hatte noch einiges zu erledigen“, antwortete sie und ließ ihre grünen Augen funkeln.
„Jetzt sind Sie ja hier und können sich die nächsten Stunden entspannen“, meinte Alex Huber freundlich. Er machte eine Pause und sie hatte das Gefühl, dass er sich die Frage nach ihrem Vater verkniff. Vielleicht war das auch nur Einbildung gewesen, denn als sie ihm direkt in sein Gesicht blickte, lächelte er gewinnend.
„Wir müssen uns noch ein wenig mit dem Abflug gedulden, es fliegt noch jemand mit uns nach Palma“, sagte Huber, als er ihre hektischen Blicke zur Uhr bemerkte.
„Jemand, den ich kenne?“, fragte sie.
„Natürlich, es ist die neue Vorstandsvorsitzende von Royal International, Tatjana Drakovic.“
„Ach ja, natürlich! Sie ist sicher ziemlich schockiert über den Mord an ihrem Bruder?“, fragte sie neugierig.
„Sie wird das durchstehen, denn die laufenden Geschäfte müssen weitergeführt werden“, meinte Alex Huber achselzuckend.
„Wie geht es jetzt wirklich weiter mit dem Börsegang, nach dem Mord an Bogdan Drakovic?“, fragte sie zögernd.
„Deshalb fliegen wir ja unter anderem auch nach Palma. Es gibt ein Strategiemeeting mit Igor Drakovic.“ Er machte eine gleichgültige Handbewegung. „Im Grunde geht es weiter wie bisher! Da ändert sich nicht viel! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“
Schweigend saßen sie auf dem Ledersofa, Alex Huber nippte entspannt an einem Mineralwasser, Anna Lange schwitzte in ihrer Lederjacke und wurde mit jeder Minute nervöser.
Zuerst karrte jemand vom Bodenpersonal einen riesigen Gepäckwagen mit einer Unmenge von Louis-Vuitton-Koffern und Taschen durch die Abflughalle, dann erschien Tatjana Drakovic persönlich mit riesigen Sonnenbrillen, Designerjeans und einer ausgefransten Chaneljacke. Wie eine Diva, dachte Anna, und auch als Tatjana Drakovic ihr freundlich die Hand gab und sich für die Verspätung entschuldigte, änderte sie nicht ihre Meinung.
Zu Beginn des Fluges tauschten alle noch nette Belanglosigkeiten aus, doch dann verebbte das Gespräch immer mehr, bis schließlich jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war. Tatjana Drakovic versteckte sich hinter ihrer riesigen Sonnenbrille, die sie die ganze Zeit nicht abnahm, Alex Huber studierte ein englisches Börsemagazin, Anna sah schläfrig aus dem Fenster und wachte erst auf, als sich der Learjet bereits im Landeanflug von Palma de Mallorca befand.
Thanatografie: Der Fangschuss
Die Stimmen in meinem Kopf sagen, dass die Erinnerung Kraft zum Töten gibt. Die Stimmen drängen mich ständig, die Erinnerung niederzuschreiben und diese immer wieder anzuhören und dann zu töten. Die Stimmen bestimmen, wie es weitergeht. Die Stimmen sträuben sich gegen das Vergessen und zwingen mich daran zu denken. Die Stimmen wollen, dass ich wieder töte, deshalb erinnern sie mich ständig an das austretende Gehirn, das sich wie ein grauer Kotzfleck auf der staubigen Straße ausbreitet. Die Stimmen erinnern mich an den Fangschuss, um mir
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