Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
einer Assemblee oder in einem Zirkel bei Hof erschienen, sie das Gelächter und die Verachtung aller feinen Damen auf sich gezogen hätten. Die letzte war in der That reinlich, aber schlichtweg von altem Schnitt, grob und außer der Mode; die erste so, wie wir solche ausdrücklich oben beschrieben haben. Die Haut seiner Wangen war so weit von der Rosenfarbe entfernt, daß man nicht einmal unterscheiden konnte, von was für einer natürlichen Farbe seine Wangen wären, weil ein schwarzer Bart, der bis an die Augen hinaufreichte, solche völlig bedeckte. Sein Wuchs und seine Gliedmaßen waren allerdings von richtigem Verhältnis, aber so plump, daß sie vielmehr die Stärke [43] eines Pflugtreibers als eines Städters verrieten. Seine Schultern waren über alle Maßen breit und seine Waden dicker als die Waden eines Sänftenträgers. Kurz, seine ganze Person hatte nichts von der zierlichen Schönheit, welche gerade das Gegenteil von plumper Stärke ist und welche die meisten unserer feinen Herren vom Stande so anmutiglich schmückt und die sie großenteils dem hohen Blute ihrer Anherren zu verdanken haben; das heißt, dem Blute, welches sich von hochgewürzten Brühen, edlen Weinen und teils durch eine frühzeitige Hof- und Stadterziehung absondert.
Obgleich Fräulein Brigitta eine Dame von höchst delikatem Geschmack war, so fand sie doch den Umgang des Kapitäns so reizend, daß sie die Fehler seiner Person völlig übersah. Sie bildete sich ein und das vielleicht sehr weislich, daß sie mit dem Kapitän mehr angenehme Minuten genießen würde als mit einem viel hübschern jungen Burschen; und achtete nicht auf das, was ihren Augen gefallen möchte, um sich eine viel gegründetere Zufriedenheit zu verschaffen. Der Kapitän merkte nicht so bald Fräulein Brigittens edle Leidenschaft (in welcher Entdeckung er sehr schnellsichtig war), als er solche treulich erwiderte. Die Dame war ebensowenig als ihr Geliebter von sehr auffallender Schönheit. Ich würde versuchen, ihr Porträt zu entwerfen, wenn das nicht bereits von einem geschicktern Meister, vom großen Hogarth selbst geschehen wäre, dem sie vor verschiedenen Jahren zu dieser Zeichnung saß, welche Zeichnung von diesem großen Kupferstecher neulich in einem Blatte bekannt gemacht ist, das der Wintermorgen heißt und wovon sie kein unschickliches Sinnbild war. Auf diesem Blatte kann man sie nach Koventgarden-Kirche gehen sehen (denn auf dem Blatte ist sie gehend dargestellt) mit einem verhungerten Diener hinter sich, der ihr das Gebetbuch nachträgt.
Der Kapitän gab ebenfalls mit überlegender Weisheit dem solideren Genuß, den er sich mit dieser Dame versprach, vor den vergänglichen Reizen der Person den Vorzug. Er war einer von den weisen Männern, welche die Schönheit am weiblichen Geschlecht als eine sehr wertlose und unbedeutende Eigenschaft betrachten oder, um es der Wahrheit gemäßer zu sagen, welche lieber alle Bequemlichkeiten des Lebens mit einer häßlichen Gattin, als eine schöne Ehefrau ohne alle jene Bequemlichkeiten besitzen wollen; und da er einen sehr guten Appetit besaß und eben nicht lecker war, so dünkte ihn, er wolle beim Ehestandsmahle seine Rolle recht gut spielen, ohne eben der Schönheitsbrühe zu bedürfen.
Um mit dem Leser ganz ehrlich umzugehen, wollen wir ihm sagen, daß der Kapitän sogleich nach seiner Ankunft wenigstens von dem Augenblick an, da ihm sein Bruder die ersten Vorschläge gethan [44] hatte und lange vorher noch, eh er einige schmeichelhafte Anzeichen an Fräulen Brittja entdeckte, heftig verliebt worden war: nämlich in Herrn Alwerths Häuser, Gärten, Ländereien, Meiereien und was so zu der Erbschaft gehörte, in welches alles der Kapitän so innigst verliebt geworden, daß er sie höchst wahrscheinlicherweise erheiratet haben würde, wäre er auch genötigt gewesen, die Hexe von Endor als Zugabe mit in den Kauf zu nehmen.
Da also Herr Alwerth sich gegen den Doktor erklärt hatte, daß er gar nicht willens sei, eine zweite Frau zu nehmen; da seine Schwester seine nächste Verwandte war, und da ferner der Doktor ausfindig gemacht hatte, daß sein Vorsatz sei, wenn seine Schwester ein Kind bekäme, solches zum Erben einzusetzen, welches denn freilich die Gesetze ohne sein Zuthun würden befohlen haben: so hielten es der Doktor und sein Bruder für eine wohlthätige Handlung, einem menschlichen Geschöpfe sein Dasein zu geben, welches mit den wesentlichsten Mitteln zur Glückseligkeit so gar reichlich versehen
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