Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
sein würde. Alle Gedanken beider Brüder waren also darauf gerichtet, wie die Liebe dieses holdseligen Frauenzimmers zu gewinnen stehe.
Aber Madame Fortuna, die eine so zärtliche Mutter ist und oft mehr für ihre Augäpfelkinder thut, als solche verdienen oder nur wünschen, hatte so fleißig zum Besten des Kapitäns gewirkt, daß das Fräulein, unterdessen daß er Plänchen zur Ausführung seines Zweckes anlegte, mit ihm einerlei Verlangen empfand und ihrerseits darauf sann, wie sie dem Kapitän schicklicherweise Hoffnung machen könnte, ohne dabei zu vorschüssig zu scheinen; denn sie war eine strenge Beobachterin aller Regeln der Zucht und Ehrbarkeit. Dies gelang ihr indessen ohne viel Mühe; denn da der Kapitän beständig auf der Warte stand, so entwischte ihm kein Blick, Gebärde oder Wort.
Die Freude, welche der Kapitän über das holdselige Betragen des Fräulein Brigitta empfand, ward nicht wenig durch die Furcht vor Herrn Alwerth gemindert; denn ungeachtet seiner uneigennützigen Erklärung deuchte doch dem Kapitän, würde er, wenn es zur That käme, dem Beispiel der übrigen Weltmänner folgen und seine Einwilligung zu einer Verbindung versagen, die seiner Schwester in Ansehung der Glücksumstände so nachteilig wäre. Von was für einem Orakel er diese Meinung mitgeteilt erhalten hatte, das überlasse ich der Entscheidung des Lesers. Er sei aber dazu gekommen, wie er wolle, so setzte es ihn doch in nicht geringe Verlegenheit, wie er sein Benehmen so einrichten sollte, zu gleicher Zeit seine Neigung der Dame zu entdecken und ihrem Bruder zu verhehlen. Am Ende beschloß er, alle geheime Gelegenheiten wahrzunehmen, [45] wo er sich ihr als Verliebten zeigen konnte; in Gegenwart des Herrn Alwerth aber so zurückhaltend und so sehr auf seiner Hut zu sein als nur immer möglich; und dieses Betragen fand den höchsten Beifall des Bruders.
Er fand bald Mittel, seiner Schönen einen förmlichen Liebesantrag zu thun und von ihr eine Antwort in gehöriger Form zu erhalten; das heißt, eben die Antwort, welche vor etlichen tausend Jahren schon auf den ersten Antrag gegeben worden und welche seitdem allezeit durch eine ununterbrochene Tradition von Mutter auf Tochter gebracht ist. Sollte ich sie ins Lateinische übersetzen, so würde ich es durch zwei Worte,
nolo episcopari,
geben; eine bräutliche Redensart, die bei andern Gelegenheiten schon seit undenklichen Jahren her im Gebrauch ist.
Der Kapitän, wie er auch immer zu der Kenntnis gelangt sein mochte, verstand seine Schöne vollkommen richtig und wiederholte sehr bald darauf seine Anwerbung mit mehr Ernst und Wärme als vorher und ward abermals in gehöriger Form abgewiesen; so wie aber bei ihm das Verlangen immer dringender wurde, so nahm in eben dem Verhältnis bei der Dame die Heftigkeit im Verweigern immer mehr ab.
Um dem Leser damit keine Langeweile zu machen, daß wir ihn durch jeden Auftritt dieser Liebeshandlung hindurch führen (welche zwar nach der Meinung eines gewissen großen Gelehrten die behaglichste Szene des Lebens für die handelnde Person selbst ausmacht, dennoch für die Zuschauer vielleicht so schal und langweilig ist, als nur immer eine andre Szene sein kann), sagen wir hiermit in aller Kürze, der Kapitän machte seine Approchen nach den Regeln der Kunst in gehöriger Form; die Zidatelle ward in gehöriger Form verteidigt und ergab sich endlich in gehöriger Form auf Diskretion.
Während dieser ganzen Zeit, welche beinahe einen Monat betrug, beobachtete der Kapitän ein sehr ehrfurchtsvolles Bezeigen gegen das Fräulein, wann ihr Bruder zugegen war, und je weiter er es unter vier Augen mit ihr brachte, desto zurückhaltender betrug er sich gegen sie in Gesellschaft anderer Zeugen. Die holde Braut anlangend, so hatte sie nicht so bald den Geliebten in ihre sichere Gewahrsame gebracht, als sie sich gegen ihn in Gesellschaft mit dem höchsten Grade von Gleichgültigkeit betrug, so daß Herr Alwerth die Einsicht des Teufels (oder noch eine von seinen schlimmern Eigenschaften) hätte besitzen müssen, um den geringsten Argwohn von dem, was vorging, zu fassen.
[46] Zwölftes Kapitel.
Enthält, was vielleicht der Leser darin zu finden erwartet.
Bei allen Händeln, sei's, um sich zu schlagen oder zu verheiraten oder sonst dergleichen Geschäften, werden wenig vorläufige Zeremonien erfordert, um sie abzuthun, wenn es beiden Parteien damit ein wahrer Ernst ist. Dies war hier gegenwärtig wirklich der Fall und in weniger als einem
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