Bootsmann auf der Scholle

Bootsmann ist ein junger Hund, schwarz, weich und wollig. Er lebt am Meer auf einem Schlepper, einem kleinen starken Dampfer, der große Dampfer schleppt. Der Kapitän des Schleppers heißt Putt Bräsing.
    Putt Bräsing ist Bootsmanns bester Freund. Er gibt ihm zu fressen und sorgt für seinen Schlafplatz.
    Putt Bräsing und Bootsmann wohnen im Bauch des Schleppers. Sie schlafen jeder in einer Koje. Putt Bräsing in einer großen, Bootsmann in einer kleinen. Bootsmanns Koje ist ein Schuhkarton. Aber es liegt saubere Putzwolle drin, und Bootsmann schläft warm und prächtig wie in einem Himmelbett.
    Draußen ist Winter.
    Es hat Tage und Nächte hindurch gefroren. Viel Schnee ist gefallen, und die Pfähle im Hafen haben weiße Hauben, und die Schiffe sehen aus wie überzuckert.
    Als Bootsmann aus der Kajüte kommt, versinkt er bis zum Bauch im Schnee. Er springt auf die Luke, aber auch dort reicht ihm der Schnee bis zum Bauch. Bootsmann springt weiter, immer durch bauchtiefen Schnee. Es macht ihm Spaß. Er stößt seine Nase ins weiße Geglitzer. Er leckt und leckt, aber der Schnee schmeckt nach nichts. Der Schnee schmeckt bloß kalt.
    Bootsmann guckt durchs Relingsgeländer. Auf dem schwappenden Hafenwasser treiben Eisschollen, grau und kantig. Möwen schwimmen und frieren nicht Bootsmann bellt die Möwen an. Aber die Möwen kümmern sich nicht um ihn. Sie schwimmen und schaukeln ruhig weiter.
    Da sucht Bootsmann anderen Zeitvertreib.
    Hinten auf dem Schlepper liegt die dicke Schleppertrosse. Rund und gewaltig, wie eine schlafende Riesenschlange, liegt sie da. Der Heizer Jan fegt den Schnee von der Riesenschlange. Er pafft dabei aus einem geschwungenen Pfeifchen. Bootsmann kommt angerannt und beißt in den Besen. Er knurrt und närrt sich mit Jan, und Jan sagt an seinem Pfeifchen vorbei: „Wirst du woll, wirst du woll —" Aber Bootsmann läßt erst locker, als die Kinder rufen.
    Die Kinder sind fünf, sechs und sieben Jahre alt. Sie wohnen in den bunten Häusern, gleich unten am Hafen, die von ferne aussehen, als hätte sie ein Pfefferkuchenbäcker aufgestellt:    backsteinrote Wände und winzige Blinzelfenster, spitze alte Dächer, und auf den Dächern ein Federbett aus Schnee.
    Die Kinder wollen jetzt mit Bootsmann spielen.
    Sie kugeln durch den Schnee — Uwe, Jochen, Katrinchen.
    Uwe ist am größten. Er hat einen schmalen Kopf, und man nennt ihn deshalb manchmal Uwe Pferdekopf.
    Katrinchen ist am kleinsten. Sie hat Pausbacken und eine Laufnase.
    Jochen ist ein Boxer. Er boxt sich mit allen, die er nicht leiden kann.
    Uwe und Jochen sind Jungpioniere.
    Alle drei Kinder stehn am Bollwerk, wo der Schlepper liegt. Sie stehn dort wie drei Orgelpfeifen — Uwe, Jochen, Katrinchen.
    Uwe und Jochen haben blaue Pudelmützen auf. Katrinchen hat eine Kappe

    umgebunden, aus rotem steifem Stoff. Hinten aus der Kappe guckt ein blonder Pferdeschwanz.
    Die Kinder locken Bootsmann.
    Der kleine Hund fegt über Deck, vor und zurück, hin und her durch stiebenden Schnee. Seine Zähne blitzen, seine Knöpfchenaugen funkeln.
    „He, Bootsmann", sagt Jochen, „lachst du uns an oder lachst du uns aus?“
    „Oder bist du böse?" sagt Katrinchen.
    Aber Bootsmann ist nicht böse. Er will an Land. Er will zu den Kindern. Doch es führt kein Steg zum Bollwerk. Der Steg liegt auf dem Schlepper. Bootsmann kann nicht an Land.
    Vielleicht hilft der Heizer Jan?
    Die Kinder fragen den Heizer Jan: „Darf Bootsmann ein bißchen mit?“
    „Da müßt ihr euch an Putt Bräsing wenden", sagt der Heizer Jan. Er schwingt seinen Besen, fegt und pafft und pafft und fegt. Dann stößt er dreimal mit dem linken Absatz auf: Signal an Putt Bräsing.
    In der Bordwand sind runde Fenster. Sie heißen Bullaugen. Das mittelste Bullauge öffnet sich, und es erscheint das Gesicht von Putt Bräsing, so rund wie das runde Bullauge, mittendrin eine dicke freundliche Nase.
    „Na, was gibt’s?" fragt Putt Bräsing.
    „Darf Bootsmann ein bißchen mit?“ „Meinetwegen", sagt Putt Bräsing. „Aber nicht zu lange. Ich muß nachher bald mit dem Schlepper fort, einen Dampfer bugsieren.“ Und zum Heizer Jan sagt Putt Bräsing: „Laß Bootsmann mal an Land.“ Nun wird der Besen beiseite gestellt und der Steg aufs Bollwerk geschoben. Bootsmann saust an Land. Er saust gleich weiter, zick-zack um die Kinder. Er steht still, stemmt sich und kläfft. Sein Buscheischwanz zittert.
    Auf einem Baum sitzt eine Krähe. Sie sitzt mit schiefem Kopf und sieht aus, als ob sie