Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
sehr heiligen und feierlichen Handlung, und enden gewöhnlich in Kummer und Elend; denn wirklich können wir es eine Profanation nennen, wenn man diese so heilige Einrichtung in ein gottloses Opfer verwandelt, das man dem Geiz oder der Wollust darbringt: und was kann man besseres von solchen Eheverbindungen sagen, zu welchen sich Menschen durch [48] bloße Rücksichten auf eine schöne Person oder auf großes Vermögen verleiten lassen!
Es wäre falsch und thöricht zugleich, zu behaupten, daß Schönheit kein angenehmer Gegenstand fürs Auge und selbst einiger Bewunderung würdig sei.
Schön
ist ein Beiwort, dessen die heilige Schrift sich öfters bedient und allemal mit Ehren erwähnt. Ich selbst war so glücklich, eine Frau zu heiraten, welche von der Welt für hübsch geachtet wurde; und ich kann mit Wahrheit sagen, sie war mir dadurch desto lieber. Diesen Umstand aber zum einzigen Grunde der ehelichen Vereinigung machen, so heftig darnach gelüsten, daß man deswegen über alle Unvollkommenheit hinwegsieht, oder ihn so unbedingterweise zu verlangen, daß man darüber Religion, Tugend und Vernunft als unbedeutende Dinge achtet (welche doch ihrer Natur nach weit höhere Vollkommenheiten sind), bloß, weil die Person der äußerlichen Schönheit ermangelt; – dies kann sicherlich mit dem Charakter weder eines weisen Mannes noch eines guten Christen bestehen. Und vielleicht übertreibt man die Liebe des Nächsten, wenn man meint, solche Personen suchen durch ihre Verheiratung etwas mehr, als ihre fleischlichen Lüste stillen zu wollen, zu deren einzigen Befriedigung der Ehestand, wie uns gelehrt worden, gar nicht eingesetzt ist.
Was zunächst die Glücksumstände anbelangt, so kann vielleicht die weltliche Klugheit verlangen, solche einigermaßen in Betracht zu ziehen; und das möchte ich nicht so ganz platterdings verdammen. So, wie jetzt die Einrichtung der Welt besteht, erfordern die Bedürfnisse einer ordentlichen Haushaltung nebst der Sorge für Kinder eine kleine Rücksicht auf das, was man Glücksumstände nennt. Diese Vorsorge wird aber insgemein von Thorheit und Eitelkeit, welche unendlich mehr Bedürfnisse schaffen als die Natur, weit weit über die Grenzen des wirklich Notwendigen hinausgetrieben. Kutsche und Pferde für die Ehefrau und einen reichen Nachlaß für die Kinder hat die Gewohnheit auf das Verzeichnis des Unentbehrlichen gesetzt; und um dieses herbeizuschaffen, wird alles Uebrige, was wirklich dauerhaft, angenehm, tugendhaft und christlich ist, übersehen und vernachlässigt.
Und das in mancherlei Graden, wovon der letzte und höchste sich kaum von Wut und Unsinn zu unterscheiden scheint. Ich meine nämlich, wenn Frauenzimmer von unermeßlichem Reichtum mit solchen Personen unauflösliche Kontrakte eingehen, die ihnen zuwider sind und sein müssen; mit Narren und Taugenichtsen, um ihr jährliches Einkommen zu vermehren, das ohnedem schon größer ist, als selbst ihre Begierden zu befriedigen erfordert wird. Wirklich, wenn solche Menschen nicht für wahnsinnig geachtet sein [49] wollen, so müssen sie bekennen, daß sie sich nicht fähig fühlen, die Freuden der zärtlichsten Freundschaft zu schmecken, oder daß sie die größte Glückseligkeit, dafür sie freilich keinen Sinn haben, den eiteln, unsichern und unvernünftigen Gesetzen der Meinung des dummen Pöbels aufopfern, Gesetze, deren Kraft sowohl als Ursprung auf Thorheit beruht.«
Hier endigte Alwerth seinen Sermon, auf welchen Doktor Blifil mit der tiefsten Aufmerksamkeit gehorcht hatte; wiewohl es ihm einige Anstrengung kostete, von Zeit zu Zeit ein kleines unfreiwilliges Entfalten seiner Muskeln zu verhüten. Nun preisete er jede Periode von all dem, was er gehört hatte, mit der Wärme eines angehenden Kandidaten der heiligen Gottesgelahrtheit, dem die Ehre widerfährt, an eben dem Tage bei dem Herrn Generalsuperintendenten
zu speisen,
an welchem Se. Magnifizenz die Kanzel bestiegen haben.
Dreizehntes Kapitel.
Welches das erste Buch beschließet; daneben ein Beispiel von Undankbarkeit, welches, wie wir hoffen, unnatürlich scheinen soll.
Aus dem, was wir beigebracht haben, wird der Leser schon einsehen, daß die Aussöhnung (wenn man's einmal so nennen kann) bloß der Form nach stattfand; wir wollen sie also überschlagen und zu etwas Anderem eilen, das man gewiß für sehr wesentlich achten wird.
Der Doktor hatte seinen Bruder mit dem, was zwischen ihm und Herrn Alwerth vorgefallen war, bekannt gemacht und setzte mit
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