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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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ihnen eben derselbige ist wie bei den Männern; allein ob solche gleich ein wenig ihr Geschlecht zu verleugnen scheinen, wenn sie einen Faustkampf beginnen, so habe ich doch bemerkt, daß sie es niemals so weit aus den Augen setzen, daß sie einander auf die Brust zielen sollten, woselbst einige wenige Püffe den meisten höchst verderblich sein würden. Dies, ich weiß es wohl, leiten einige daher, daß sie blutgieriger sein sollen als die Mannspersonen; weshalb sie denn die Nase lieber wählen, als einen Teil, aus welchem man leichter Blut zapfen könne; allein dies scheint mir eine zu weit hergesuchte sowohl, als auch eine zu gehässige Andichtung zu sein.
    Frau Braunsch hatte in diesem Punkte einen großen Vorteil über Molly, denn die erste hatte eigentlich gar nichts in der Schnürbrust. Ihr Busen (wenn man's so nennen kann) glich sowohl an Farbe als noch mehr andern Eigenschaften ganz genau einem Stück alten Pergaments, worauf man eine ziemliche Weile hätte lospauken können, ohne ihr eben sonderlichen Schaden zu thun.
    Molly war, nicht mitgerechnet ihre jetzige unglückliche jungfräuliche [150] Leibesbeschaffenheit, unter dem Halstuche ganz anders gebildet, und möchte vielleicht den Neid der Frau Braunsch gereizt haben, ihr einen hämischen Puff zu versetzen, hätte nicht die glückliche Ankunft des Tom Jones in diesem Augenblicke dem blutigen Auftritte ein unmittelbares Ende gemacht.
    An diesem glücklichen Zufall war eigentlich Herr Quadrat schuld; denn er, Blifil und Jones, waren nach der Kirche zu Pferde gestiegen, um ein wenig spazieren zu reiten, und kaum waren sie einige hundert Schritte geritten, als Herr Quadrat sich eines andern besann, (nicht aus wetterwendischer Laune, sondern aus einer Ursache, die wir dem Leser enthüllen wollen, sobald es unsre Muße zuläßt) und die jungen Herren bat, einen andern Weg mit ihm zu reiten, als den sie sich zuerst vorgesetzt hatten. Da der Vorschlag durchging, brachte es sie notwendigerweise wieder zum Kirchhofe zurück.
    Herr Blifil, der voranritt und solch einen Haufen von Janhagel in Assemblee sah, und darunter zwei weibliche Gestalten, in der Verfassung, in welcher wir die Braushühnlein verließen, hielt sein Pferd an, um sich zu erkundigen, was da vorginge. Ein Bauertölpel, der sich dabei hinter den Ohren kraute, antwortete ihm: »o 'ch wäs nät, äch nät! mät Verlobnäß zu sagen, Knädiger Jonker. 'S äß'r so'n Hophäh k'wäst, onger Fra Praunsch un Maari Seekrem: S'han sech 'nander en'n Haar'n K'rähn, tänk'ch.« »Wer? wo?« rief Tom. Ohne aber eine Antwort abzuwarten, indem er eben die Züge seiner Marie bei aller Entstellung, worin sie sich jetzt befanden, entdeckte, stieg er hastig vom Pferde, ließ es ledig stehen, sprang über die Mauer und lief auf sie zu. Nun erst fing sie an, in Thränen auszubrechen, und erzählte ihm dann, wie barbarisch man sie behandelt habe. Worauf er Frau Braunsch, ihr Geschlecht vergessend (oder auch, daß er's in seiner Wut nicht erkannte, denn sie zeigte eben nichts Weibliches an sich, Schürz und Rock ausgenommen, die er leicht übersehen konnte), einen oder ein paar Hiebe mit der Reitpeitsche versetzte; dann auf den hellen Haufen zueilte und unter selbigem, weil er insgesamt von Molly verklagt war, von allen Seiten seine Hiebe so freigebig austeilte, daß ich, wofern ich die Muse nicht von neuem anrufen will (welches der gutherzige Leser für ein wenig zu hart für sie finden würde, da sie erst kürzlich sich so außer Atem hat singen müssen) ganz außer stande bin, das Peitschen und Schwöppen dieses Tages zu beschreiben.
    Nachdem er das ganze Schlachtfeld von Feinden völlig gereinigt hatte, so gut als jemals die Helden Homers oder Don Quichotte, oder irgend sonst ein andrer irrender Ritter auf dieser Welt gethan [151] haben könnten, kehrte er zu Molly zurück, die er in Umständen antraf, die sowohl mir als meinen Lesern wehe thun müßten, wenn ich solche hier beschreiben wollte. Tom gehabte sich, als wär' er von Sinnen gekommen, zerschlug sich die Brust, raufte sein Haar, stampfte den Boden und schwur allen die bitterste Rache, die nur Hand mit im Spiele gehabt hätten. Dann schälte er seinen Rock ab, knöpfte solchen um ihre Schulter, setzte ihr seinen Hut auf den Kopf, wischte ihr mit seinem Taschentuche, so gut er konnte, das Blut aus dem Gesichte und rief dem Bedienten zu, er solle reiten was er könne und einen Sattel oder Reitkissen holen, damit er sie sicher nach Hause bringen

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