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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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aufwarten und die Stelle für ihre älteste Tochter zu erhalten suchen, welche eine große Bereitwilligkeit bezeigte, sie anzunehmen. Aber das Glück, welches dieser kleinen Familie gar nicht günstig schien, schob nochmals einen Riegel vor ihre Beförderung.

[155] Zehntes Kapitel.
    Herr Schickelmann, der Pastor
loci,
erzählt eine Geschichte. Junker Westerns Scharfsinnigkeit. Seine große Liebe zu seiner Tochter und in was Maßen sie solche erwidert.
     
    Den nächsten Morgen ritt Tom Jones mit Junker Western auf die Jagd, und ward, als sie wieder nach Hause kamen, von diesem Herrn zum Mittagessen gebeten.
    Die liebenswürdige Sophie strahlte diesen Tag mit mehr Munterkeit und Witz hervor als gewöhnlich. Ihre Batterie war ganz gewiß auf unsern Helden gerichtet; wiewohl ich glaube, daß sie sich ihrer Absicht kaum selbst bewußt war; wenn sie aber jemals willens war ihn zu bezaubern, so glückte es ihr heute.
    Herr
Schickelmann,
der Prediger an Herrn Allwerths Pfarrkirche, war mit von der Gesellschaft. Es war ein gutmütiger, würdiger Mann; besonders aber war er merkwürdig wegen seines tiefen Stillschweigens bei Tische, ob ihm dabei gleich niemals der Mund stillstand. Kurz, er hatte den herrlichsten Appetit von der Welt. Indessen ward der Nachtisch nicht so bald abgenommen, als er allemal sein Stillschweigen wieder reichlich gut machte; denn er war ein sehr herziger Gesell, und sein Gespräch war oft unterhaltend, niemals beleidigend.
    Bei seiner Ankunft, welche gerade zutraf, da man den Rindsbraten aufsetzte, hatte er zu verstehen gegeben, daß er eine Neuigkeit mitbrächte, und war im Begriff zu erzählen, daß er eben von Herrn Alwerths Hause herkäme, als der Anblick des Rindsbratens ihn verstummen ließ und ihm bloß erlaubte das Tischgebet zu sprechen, und zu erklären, er müsse dem Herrn Baron (denn so nannte er das Lendenstück) seine Ehrfurcht bezeigen.
    Als die Mahlzeit zu Ende ging und er von Fräulein Sophie an seine Neuigkeit erinnert ward, hub er folgendergestalt an: »Ich glaube, gnädiges Fräulein, Ihro Gnaden haben gestern, beim Gottesdienst in der Kirche, eine junge Dirne bemerkt, welche in einen Teil von Ihrem ausländischen Flitterstaat gekleidet war; ich meine, ich hätte Ihro Gnaden wohl ehedem in so einem gesehen, indessen sind solche Kleidungen auf dem Lande
     
    rara avis in terris, nigroque simillima cygno;
     
    das heißt, mein gnädiges Fräulein, so viel, als:
     
    Ein seltner Vogel auf unsrer Erde, und sehr ähnlich einem schwarzen Schwane.
     
    Der Vers steht im Juvenal; aber, wieder auf das zu kommen, [156] was ich erzählen wollte. Ich wollte sagen, solcher Putzstaat ist auf dem Lande ein seltsamer Anblick, und vielleicht hielt man ihn wegen der Person, die ihn trug, noch für um so seltsamer; denn es ist, wie man mir sagte, die Tochter des schwarzen Jakob, des gnädigen Herrn Junkers Wildmeister, den, nach meiner Meinung, sein Kreuz und Leiden mehr gewitzigt haben sollte, als seine Dirnen so üppiglich herauszukleiden. Das Ding machte eine solche Verwirrung in der Versammlung meiner Gemeinde, daß der ganze Gottesdienst dadurch würde gestört worden sein, wenn nicht noch Herr Alwerth die Ruhe wieder hergestellt hätte; denn ich hätte fast mitten in der ersten Abteilung meiner Predigt gestockt. Unterdessen, nichts destoweniger, nachdem ich meine Amtsverrichtung geendigt und ich die Kirche verlassen hatte, um nach Hause zu gehen, veranlaßte es eine Schlägerei, wobei, unter andern Freveln, einem reisenden Musikanten der Kopf arg zerschlagen wurde. Diesen Morgen kam der Musikant zu meinem Herrn Kirchenpatron von Alwerth und verklagte die Dirne, welche den Augenblick darauf vor Gericht geholt wurde. Als sie kam, siehe da! so zeigte sich's auf einmal, daß die Dirne (ich bitte Ihro Gnaden ergebenst um Verzeihung) so gleichsam, mit Respekt zu sagen, eben auf dem Sprunge stände, ein Hurenkind auf die Welt zu setzen. Mein Herr Kirchenpatron fragte sie, als Richter, nach dem Namen des Vaters; sie war aber so halsstarrig, daß sie gar nicht antworten wollte, so daß, als ich wegging, Herr von Alwerth darüber her war, ihr einen Reisepaß nach dem Spinnhause zu schreiben.«
    »Und ist denn 'ne Dirne, die 'n Hurenkind haben soll, Ihre ganze Neuigkeit, Magister?« rief Western; »ich dachte, 's wäre was von Krieg und Frieden gewest, oder was vom Zustand der Nation.«
    »Ich besorge leider freilich wohl,« antwortete der Pfarrer, »daß es etwas sehr Alltägliches ist, doch dachte ich,

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