Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
sagt' er, »durch eine so völlige und aufrichtige Reue und Buße abgewendet werden, welche man von einem so gottvergessenen Jüngling weder erwarten, noch hoffen kann, dessen Herz, wie ich fürchte, völlig verderbt ist. Meine Pflicht indessen ist, Sie zur Buße und Besserung zu ermahnen, ob ich gleich nur zu sehr überzeugt bin, daß alles Vermahnen vergebens und fruchtlos sein wird. Aber meinetwegen!
Liberavi animam meam.
Ich kann mir in meinem Gewissen keine Versäumnis Schuld geben, ob ich gleich dabei mit innigster Bedauernis sehe, wie Sie dahin fahren, zu gewissem Verderben in dieser Welt und zur ebenso gewissen Verdammnis in jener Ewigkeit.«
Quadrat sprach aus einem ganz andern Tone. Er sagte: »Solche Zufälligkeiten, wie ein gebrochener Knochen, wären nicht wert, daß ein weiser Mann darauf achte. Es sei überflüssig hinreichend, um die Seele bei allen solchen Widerwärtigkeiten im Gleichgewichte zu erhalten, daß man wisse, wie sie auch die Weisesten unter den Menschenkindern befallen können, und daß solche ganz unbezweifelt zum Besten des Ganzen gereichen.« Er sagt: »es sei ein bloßer Mißbrauch der Worte, diese Dinge Uebel zu nennen, in welchen kein moralischer Widerspruch liege. Schmerz, das Aergste was aus solchen Zufällen entstehen könne, wäre die allerverächtlichste Kleinigkeit von der Welt,« – mit mehr dergleichen Sentenzen, entlehnt aus dem zweiten Buche von Ciceros tusculanischen Fragen, oder aus den Schriften des großen Lords Shaftesbury. Er war eines Tages so emsig, dergleichen Sentenzen herzusagen, daß er sich unglücklicherweise darüber auf die Zunge biß und zwar dergestalt, daß es nicht nur seiner Rede ein Ende machte, sondern ihn auch in heftige Bewegung setzte und ihn ein oder ein paar Flüche ausstoßen ließ. Was aber dabei das schlimmste war, so gab dieser Zufall dem Schwöger, der sich gegenwärtig befand und welcher alle solche Lehren für heidnisch und atheistisch hielt, Veranlassung, ihm ein Gottesurteil auf die Schultern zu heften. Nun geschah dies dazu noch mit einem so boshaften Himmelsblick, daß es die ganze Fassung des Philosophen, wenn ich so sagen darf, aus Thür' und Angeln hob, da sie der Biß auf die Zunge ohnedem schon ein wenig zum Wackeln gebracht hatte. Und weil er außer stand gesetzt war, seinen Aerger durch die Lippen auszulassen, so hätte er vielleicht gewaltsamere Wege gefunden, sich zu rächen, hätte sich nicht der Wundarzt, der zum Glück eben im Zimmer war, seinem eignen Vorteil zuwider dazwischen gelegt und den Frieden erhalten.
Herr Blifil besuchte seinen Freund Tom nur selten und niemals [184] allein. Dieser würdige junge Mann bezeigte indessen viele Achtung für ihn und ein herzliches Mitleiden mit seinem Unglücke, vermied aber mit vieler Behutsamkeit allen vertrauten Umgang, damit, wie er sich öfter merken ließ, solches seinem eigenen unbescholtenen Charakter keinen Makel anhängen möchte, des Endes er dann auch beständig das salomonische Sprichwort im Munde führte, welches gegen böse Gesellschaft gerichtet ist. Nicht, daß er ebenso bitter gewesen wäre als Schwöger, denn er äußerte immer noch eine schwache Hoffnung zu Jones' Bekehrung, welche, wie er sagte, die beispiellose Güte, die sein Onkel bei dieser Gelegenheit bewiesen habe, bei einem nicht ganz und gar verstockten Menschen bewirken müsse. »Aber,« schloß er dann, »wenn mein Freund Tom hernach von neuem ausschweift, so werd' ich nicht im stande sein, eine einzige Silbe zu seinem Besten zu sagen.«
Anlangend Junker Western, so entfernte der sich selten aus der Krankenstube, es sei denn, daß er gegen das Wild zu Felde zog oder sein Wesen mit der Weinflasche trieb. Ja, er begab sich zuweilen hierher, um sein Oktoberbier zu trinken, und es kostete Mühe, ihn abzuhalten, daß er den Jones nicht zwänge, ebenfalls von seinem Bier zu zechen: denn kein Marktschreier gab jemals seine Astralpulver für eine so allgemeine Panacee aus, als er sein Bier, welches, wie er sagte, mehr Kraft enthielt als alle Arzneien in einer großen Apotheke zusammengenommen. Er ward indessen durch vieles Bitten vermocht, sich des Eingebens dieser Medizin zu enthalten; davon aber, dem Patienten alle Morgen unter seinem Fenster ein Ständchen mit dem Jagdhorn zu machen: davon ihn abzuhalten, das war eine platte Unmöglichkeit. Auch unterließ er niemals sein Holloh, Holloh, womit er in jede Gesellschaft trat, wenn er Tom besuchte, ohne sich im geringsten darum zu bekümmern, ob der Kranke
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