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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Verachtung verwarf, um wie viel mehr empörte sich seine Seele, wenn er auf das Rücksicht nahm, was Herrn Alwerth betraf, für den er ebensowohl mehr als kindlichen Gehorsam hegte, wie er mehr als väterliche Wohlthaten von ihm genossen hatte. Er wußte, dieser gute Mann habe von Natur einen solchen Abscheu vor jeder Niederträchtigkeit und Bubenlist, daß der geringste Versuch von dieser Art die schuldige Person in seinen Augen auf ewig verhaßt und den Namen eines solchen Menschen zum abscheulichsten Klange für seine Ohren machen würde. Der Anblick solcher unübersteiglichen Hindernisse wäre hinlänglich gewesen, ihm alle Hoffnung zu benehmen, so heftig auch seine Wünsche gewesen sein möchten; aber auch selbst diese wurden vom Mitleiden gegen ein andres Frauenzimmer gezügelt. Jetzt drängte sich das Bild der lieblichen Molly vor seine Gedanken. Er hatte ihr in ihren Armen eine ewige Beständigkeit geschworen und sie hatte ihm ebenso oft beteuert, es nicht zu überleben, wenn er sie verlassen sollte. Er sah sie da vor sich in allen den schrecklichen Stellungen einer mit dem Tode Ringenden; ja noch mehr, er stellte sich alles Elend des schändlichen Lebens vor, in welches sie verfallen würde und wozu er die zweifache Veranlassung gegeben hätte; einmal, daß er sie verführt, und zweitens, daß er sie verlassen hätte: denn er kannte den Haß sehr gut, womit ihre Nachbarinnen, selbst ihre eigenen Schwestern sie haßten, und wie bereit sie alle sein würden, sie in die Pfanne zu hauen. In der That hatte er sie mehr dem Neide als der Schande bloßgestellt, oder vielmehr der letzten nur vermittelst des erstern. Denn manches Weibsbild verlästerte sie wegen Hurerei, unterdessen sie ihr ihren Buhlen und ihren Putz herzlich mißgönnte und beides gerne um eben den Preis erkauft hätte. Der Untergang dieses armen Mädchens mußte also, wie er voraussah, unvermeidlich erfolgen, wenn er sie sitzen ließe, und dieser Gedanke durchbohrte ihm die Seele. Armut und Not gab ihm nach seiner Meinung kein Recht, diese Widerwärtigkeit noch drückender zu machen. Die Niedrigkeit ihres Standes ließ ihn ihre Not nicht als unbedeutend betrachten, auch deuchte ihm nicht, daß solche sein Verschulden, wodurch er sie in diese Not gebracht, rechtfertige oder auch nur vermindere. Aber, was sage ich von rechtfertigen! Sein eigenes Herz gab nicht zu, daß er ein menschliches Geschöpf zu Grunde richte, von dem er dachte, es liebe ihn und habe dieser Liebe ihre Unschuld aufgeopfert. Sein eigenes gutes Herz war ihr Fürsprecher; nicht wie ein kalter Zungendrescher für die Gebühr, sondern wie ein redlicher Sachwalter, welcher warmen Anteil am Ausgang der Sache nimmt [189] und den Jammer lebhaft fühlt, unter welchem seine Partei erliegt.
    Als dieser erfahrne Advokat bei Jones dadurch Mitleiden genug erregt, da er ihm die arme Molly in allen Umständen des Jammers vorgemalt hatte, rief er sehr listig eine andre Leidenschaft zur Hilfe herbei und stellte die Dirne dar in allen lieblichen Farben der Jugend, Gesundheit und Schönheit und als einen wünschenswerten Gegenstand der Begierden, und das um so mehr, wenigstens für ein gutes Gemüt, weil sie zu gleicher Zeit ein Gegenstand des Mitleids war.
    Unter diesen Gedanken brachte der arme Jones eine lange schlaflose Nacht zu und des Morgens fiel das Resultat von allen dahin aus, daß er bei seiner Molly bleiben und nicht weiter an Sophie denken wolle.
    In dieser tugendhaften Entschließung beharrte er den ganzen folgenden Tag bis zum Abend, indem er der Idee von Molly liebkoste und die von Sophie aus seinen Gedanken verbannte; allein an dem fatalen Abend machte ein an sich geringer Zufall seine ganze Leidenschaft wieder flott und bewirkte eine so gänzliche Veränderung in seiner Seele, daß wir es für wohlanständig erachteten, solchen in einem frischen Kapital mitzuteilen.

Viertes Kapitel.
    Ein kleines Kapitel, worin ein kleiner Zufall erzählt wird.
     
    Unter manch andern Besuchen der Freunde, die dem jungen Manne in seiner Einsamkeit ihre Höflichkeit bezeigten, war auch Jungfer Honoria. Der Leser, wenn er einige Ausdrücke in Erwägung zieht, welche ihr vorhin entfielen, mag vielleicht meinen, sie habe selbst eine persönliche Neigung für Herrn Jones unterhalten, im Ernste aber, daran war nichts. Tom war ein wohlgebildeter junger Bursche und Jungfer Honoria hatte so einiges Gefallen an solchem Schlage von Mannspersonen, aber das war völlig in Bausch und Bogen, ohne alle

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