Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
schreibt. Den Leser kann freilich so etwas leicht überfallen; wäre aber das Werk so lang, als irgend die längste Postille, so ist der Autor doch dabei viel zu behaglich beschäftigt, als daß ihn die geringste Schläfrigkeit anwandeln sollte. Er ist nach Popens Bemerkung
Sleepless himself to give his readers Sleep.
Schlaflos er selbst, um seinen Lesern Schlaf zu schaffen.
Die reine Wahrheit zu sagen, so sind diese schlafeinladenden Stellen so viele künstlich eingeschobene ernsthafte Szenen, um die übrigen zu kontrastieren und lebendiger zu machen: und dies ist die wahre Meinung eines jüngstverstorbenen witzigen Schriftstellers, welcher dem Publikum sagte: es könne sich darauf verlassen, es stecke allemal eine Absicht dahinter, wenn er Langeweile mache.
In diesem Lichte also, oder vielmehr in diesem dunkeln Schatten wünsche ich, daß der Leser diese Einleitungsversuche betrachten möge. Und wenn er, nach dieser Warnung immer noch der Meinung bleibt, daß er in andern Teilen dieser Geschichte genug Ernsthaftes finden könne, so mag er diese überschlagen, in welchen wir eingestandnermaßen langweilig sind, und geflissentlich die folgenden Bücher nur gleich beim zweiten Kapitel anfangen.
Zweites Kapitel.
In welchem Tom Jones, während der Zeit, daß er das Zimmer hütete, manchen freundschaftlichen Besuch erhält; nebst einigen feinen Tuschen im Gemälde der Leidenschaft der Liebe, welche unbewaffneten Augen kaum sichtbar sein möchten.
Tom Jones empfing, während er das Bett und Zimmer hütete, manchen Besuch, ob ihm gleich einige davon nicht gar angenehm [182] sein mochten. Herr Alwerth besuchte ihn fast täglich; allein, so viel Mitleiden er mit Toms Schmerzen hatte und so sehr er das wackere Betragen, wodurch er sich solche zugezogen, billigte, so dachte er dennoch, dies sei eine günstige Gelegenheit, ihn zu kalten Ueberlegungen seiner vorherigen unbesonnenen Aufführung zu bringen; daß also auf diesen Endzweck zielender heilsamer Rat zu keiner bequemern Zeit angebracht werden könne, als eben zu dieser, wo das Gemüt durch Schmerzen und Krankheit erweicht und durch Gefahr geängstet und seine Aufmerksamkeit nicht durch jene aufrührerischen Leidenschaften umnebelt wäre, welche den Menschen treiben, seinen Vergnügungen nachzujagen.
Zur Zeit, oder zur Unzeit also (wie ein gewisser erhabener Schriftsteller dazu anzumahnen scheint), wenn der gute Mann mit dem Jünglinge allein war, besonders wenn der letztre sich völlig in Ruhe befand, nahm er Gelegenheit ihn an seine vormaligen Fehltritte zu erinnern; aber auf die sanfteste und zärtlichste Weise, und bloß, um seinen Warnungen auf die Zukunft, die er ihm so väterlich erteilte, Eingang zu verschaffen. Von welcher zukünftigen Aufführung allein, wie er ihn versicherte, seine eigne Glückseligkeit und die Güte abhängen würde, welche er noch von seinem Pflegevater zu erhalten sich versprechen dürfe, wofern er sich in Zukunft dessen guter Meinung nicht ganz und gar verlustig machte. Denn, was das Vergangne anbeträfe, sagt' er, so sollte das völlig vergessen und vergeben sein. Deswegen also riet er ihm, von dem gegenwärtigen Zufalle den besten Gebrauch zu machen, damit solcher, als eine Heimsuchung, zu seinem eigenen Besten ausschlagen möge.
Schwöger war gleichfalls nicht zu saumselig in seinen Besuchen und auch er betrachtete ein Krankenlager als einen schicklichen Ort zu Bußpredigten. Sein Stil war indessen etwas eindringlicher und bitterer, als der Stil des Herrn Alwerth. Er schärfte seinem Zöglinge ein: er müsse sein zerbrochnes Glied als eine Züchtigung des Höchsten, wegen seiner Missethat ansehen: deshalben würde es seine Pflicht sein, sich täglich auf seine Kniee zu werfen und dem Himmel zu danken, daß er nur seinen Arm und nicht den Hals gebrochen habe, welches letztre, wie er sagte, sehr wahrscheinlicherweise auf eine künftige und nicht weit entfernte Gelegenheit verschoben sein möchte. Er für sein Teil, sagt' er, habe sich oft gewundert, daß ihn nicht schon längst ein Zorngericht des Himmels betroffen habe; allein aus dem Gegenwärtigen könne man schon ersehen, daß Gottes Rache zwar langsam aber doch gewiß den Sünder erreiche. Daher warnte er ihn dann gleichfalls mit eben solcher Gewißheit, die weit größern Uebel zu erwarten, welche ihm noch bevorstünden und die [183] ihn ebenso sicher, wie ein Dieb in der Nacht, in seinem unbekehrten Zustande überraschen würden. »Diese können nur,«
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