Tom Sawyers Abenteuer und Streiche
Seeräuber?«
»Ja, aber das ist ganz was anderes. Ein Räuber ist für gewöhnlich viel vornehmer als so 'n Pirat. In manchen Ländern sind sie vom höchsten Adel – Herzöge oder so.«
»Tom, du bist doch immer gut mit mir gewesen! Wirst mich doch nicht ausschließen, Tom? Wirst mir doch so was nicht antun, oder –?«
»Huck, ich tät's ja nicht und ich tu's auch nicht gern, aber was würden die Leute sagen? Ei, die werden die Nase rümpfen und ›Pf!‹ – würden sie sagen, – Tom Sawyers Bande! Schöne Kerle da drin! Und damit wärst du gemeint, Huck. Das war dir doch nicht recht und mir auch nicht.«
Für eine Weile war Huck still, sichtlich kämpfte er innerlich einen schweren Kampf. Schließlich sagte er:
»Na, für 'nen Monat oder so könnt ich ja am Ende zur Witwe zurückgehen und sehen, wie ich mich durchschlage und ob ich's aushalten kann. Ja, das könnt ich, – wenn ich bei der Bande eintreten darf, Tom.«
»Gut also, Huck, das ist 'n Wort! Und nun vorwärts, alter Kerl, will mal mit der Witwe reden, daß sie dich 'n bißchen mehr in Ruhe läßt.«
»Willst du, Tom, willst du? Das ist schön von dir. Wenn die 'n bißchen weniger streng sein will, dann will ich dafür nur noch heimlich rauchen und fluchen und mich wohl oder übel durchdrücken oder platzen. Aber bis wann willst du denn die Bande auftun und Räuber werden?«
»Ei gleich! Wollen nur erst die Jungens zusammentrommeln, dann kann die Einschwörung gleich heut nacht vor sich gehen.«
»Die – was?«
»Die Einschwörung.«
»Was ist denn das?«
»Ei, da schwört man, daß man zusammenstehen und fallen wolle und niemals die Geheimnisse der Bande verraten, und sollte man auch in Stücke zerrissen werden; daß man jeden umbringen wolle samt seiner ganzen Familie, die irgendeinem von der Bande was zuleide tut.«
»Das ist lustig, Tom, arg lustig, sag ich dir.«
»Ja, das ist's. Und der ganze Schwur muß um Mitternacht geschehen, am einsamsten, schauerlichsten Ort, den man finden kann, – in einem Haus, wo's spukt, wär's am besten, aber die sind jetzt alle abgebrochen.«
»Um Mitternacht ist gut, Tom, – irgendwo.«
»Ja, das ist wahr. Und man muß über einem Sarge schworen und alles mit Blut unterzeichnen.«
»Das klingt doch nach etwas! Weiß Gott, das ist millionenmal besser als Seeräuber sein. Ich will mich an die Witwe kleben, bis ich schwarz werd', Tom, und wenn ich mal so 'n richtiger Hauptkerl von 'nem vornehmen Räuber bin, Tom, und alle Welt von mir redet, dann wird sie wohl, denk ich, sich auch freuen und stolz sein, daß sie mich aus dem Sumpf gezogen hat!«
Schlußwort.
So endet denn diese Chronik. Da es nur die Geschichte eines Knaben ist, so muß sie hier enden; ließe sie sich doch nicht viel weiter fortspinnen, ohne zur Geschichte eines Mannes zu werden. Wer einen Roman über erwachsene Leute schreibt, weiß ganz genau, wo er aufzuhören hat, nämlich – bei der Heirat. Wer aber von Kindern und sehr jugendlichen Helden erzählt, der muß eben aufhören, wo es sich am besten fügt. [Anm.: Der Verfasser hat in seinem » Huckleberry Finn« – siehe Nr. 657–660 der Volksbücherei – eine prächtige Fortsetzung bei Knabenstreiche Tom Sawyers geschrieben, wobei »Huck« der Held ist."]
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