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Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Titel: Tom Sawyers Abenteuer und Streiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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verabscheute ihn rechtschaffen.
    Zwei Minuten später, oder in noch kürzerer Zeit, hatte er alle seine Sorgen vergessen. Nicht, daß sie weniger schwer waren oder weniger auf ihm lasteten, wie eines Mannes Sorgen auf eines Mannes Schultern, nein durchaus nicht, aber ein neues mächtiges Interesse zog seine Gedanken ab, gerade wie ein Mann die alte Last und Not in der Erregung eines neuen Unternehmens vergessen kann. Dieses starke und mächtige Interesse war eine eben errungene, neue Methode im Pfeifen, die ihm ein befreundeter Nigger kürzlich beigebracht hatte, und die er nun ungestört üben wollte. Die Kunst bestand darin, daß man einen hellen, schmetternden Vogeltriller hervorzubringen sucht, indem man in kurzen Zwischenpausen während des Pfeifens mit der Zunge den Gaumen berührt. Wer von den Lesern jemals ein Junge gewesen ist, wird genau wissen, was ich meine, Tom hatte sich mit Fleiß und Aufmerksamkeit das Ding baldigst zu eigen gemacht und schritt nun die Hauptstraße hinunter, den Mund voll tönenden Wohllauts, die Seele voll stolzer Genugtuung. Ihm war ungefähr zumute, wie einem Astronomen, der einen neuen Stern entdeckt hat, doch glaube ich kaum, daß die Freude des glücklichen Entdeckers der seinen an Größe, Tiefe und ungetrübter Reinheit gleichkommt.
    Die Sommerabende waren lang. Noch war's nicht dunkel geworden. Toms Pfeifen verstummte plötzlich. Ein Fremder stand vor ihm, ein Junge, nur vielleicht einen Zoll größer als er selbst. Die Erscheinung eines Fremden irgendwelchen Alters oder Geschlechtes war ein Ereignis in dem armen, kleinen Städtchen St. Petersburg. Und dieser Junge war noch dazu sauber gekleidet, – sauber gekleidet an einem Wochentage! Das war einfach geradezu unfaßlich, überwältigend! Seine Mütze war ein niedliches, zierliches Ding, seine dunkelblaue, dicht zugeknöpfte Tuchjacke nett und tadellos: auch die Hosen waren ohne Flecken. Schuhe hatte er an, Schuhe, und es war doch heute erst Freitag, noch zwei ganze Tage bis zum Sonntag! Um den Hals trug er ein seidenes Tuch geschlungen. Er hatte so etwas Zivilisiertes, so etwas Städtisches an sich, das Tom in die innerste Seele schnitt. Je mehr er dieses Wunder von Eleganz anstarrte, je mehr er die Nase rümpfte über den »erbärmlichen Schwindel«, wie er sich innerlich ausdrückte, desto schäbiger und ruppiger dünkte ihn seine eigene Ausstattung. Keiner der Jungen sprach. Wenn der eine sich bewegte, bewegte sich auch der andere, aber immer nur seitwärts im Kreise herum. So standen sie einander gegenüber, Angesicht zu Angesicht, Auge in Auge. Schließlich sagt Tom:
    »Ich kann dich unterkriegen!«
    »Probier's einmal!«
    »N – ja, ich kann.«
    »Nein, du kannst nicht.«
    »Und doch!«
    »Und doch nicht!«
    »Ich kann's.«
    »Du kannst's nicht.«
    »Kann's.«
    »Kannst's nicht.«
    Ungemütliche Pause. Dann fängt Tom wieder an:
    »Wie heißt du?«
    »Geht dich nichts an.«
    »Will dir schon zeigen, daß mich's angeht.«
    »Nun, so zeig's doch.«
    »Wenn du noch viel sagst, tu' ich's.«
    »Viel – viel –  viel ! Da! Nun komm 'ran!«
    »Ach, du hältst dich wohl für furchtbar gescheit, gelt du? Du Putzaff'! Ich könnt' dich ja unterkriegen mit einer Hand, auf den Rücken gebunden, – wenn ich nur wollt'!«
    »Na, warum  tust  du's denn nicht? Du  sagst 's doch immer nur!« »Wart, ich tu's, wenn du dich mausig machst!«
    »Ja, ja, sagen kann das jeder, aber tun – tun ist was andres.«
    »Aff' du! Gelt du meinst, du seist was Rechtes? – Puh, was für ein Hut!«
    »Guck' wo anders hin, wenn er dir nicht gefällt. Schlag' ihn doch runter! Der aber, der 's tut, wird den Himmel für 'ne Baßgeig' ansehen!«
    »Lügner, Prahlhans!«
    »Selber!«
    »Maulheld! Gelt, du willst dir die Hände schonen?«
    »Oh – geh heim!«
    »Wart, wenn du noch mehr von deinem Blödsinn verzapfst, so nehm' ich einen Stein und schmeiß ihn dir an deinem Kopf entzwei.«
    »Ei, natürlich, – schmeiß nur!«
    »Ja, ich tu's!«
    »Na, warum denn nicht gleich? Warum wartst du denn noch? Warum  tust  du 's nicht? Ätsch, du hast Angst!«
    »Ich Hab' keine Angst.«
    »Doch, doch!«
    »Nein, ich hab' keine.«
    »Du hast welche!«
    Erneute Pause, verstärktes Anstarren und langsames Umkreisen. Plötzlich stehen sie Schulter an Schulter. Tom sagt:
    »Mach' dich weg von hier!«
    »Mach' dich selber weg!«
    »Ich nicht!«
    »Ich gewiß nicht!«
    So stehen sie nun fest gegeneinander gepreßt, jeder als Stütze ein Bein im Winkel vor

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