0928 - Das Hexendiadem
Es war jetzt wenig mehr als einen Tag her, dass Dianes Leben eine dramatische Wendung genommen hatte. Immer wieder drängten sich die Bilder, die dazu geführt hatten, dass sie momentan als Frankreichs meistgesuchte Verbrecherin gejagt wurde, in ihren Geist.
Die Geburtstagsfeier ihrer Mutter auf Château de Montclos an der Loire. Völlig überraschend waren auch Zamorra und ein Begleiter namens McMour aufgetaucht, mit der Absicht, Diane den Garaus zu machen. Sie wussten, dass sie eine Hexe war, woher auch immer! Zamorras Château lag nur ein paar Kilometer vom Schloss ihrer Eltern entfernt, er und Nicole waren alte Freunde ihrer Familie gewesen, zumindest aber gute Nachbarn, auch wenn es die letzten zehn Jahre nur noch spärlichen Kontakt zwischen den Familien gegeben hatte.
Eine leise Glocke ertönte. Die Tür eines der orangefarbenen Aufzüge ging auf. Eine Gruppe amerikanischer Touristen, unverkennbar, ergoss sich lärmend und lachend auf die Plattform. Die älteren Leute verteilten sich um Diane. Verärgert verzog sie ihr Gesicht, beschloss aber dann, keinem einen Herzinfarkt anzuhexen, sondern sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren. Sie hielt ihr Gesicht in den kalten Wind und betrachtete kurz die imposant angestrahlte Basilika Sacre-Cceur, die sich wie das Tor zu einer anderen Welt auf der Butte, der höchsten natürlichen Erhebung dieser unglaublichen Stadt, präsentierte. Aus dem Büro, das mit den Wachsfiguren von Gustave Eiffel samt seinen Ingenieuren Maurice Koechlin und Emile Nouguier vor einigen ausgebreiteten Bauplänen bestückt war, drängte eine Schulklasse. Zumindest glaubte Diane, dass es eine war.
Ihr kleinen Scheißer, ihr müsstet doch schon längst im Bett sein…
Schließlich war es schon fast Mitternacht.
An Dianes sehnigem, schmalem Körper, der kaum Rundungen aufwies, schien nicht ein Gramm Fett zu viel zu sein.
Sie besaß einen leicht maskulinen Einschlag, was die braune Kurzhaarfrisur noch unterstrich. In ihren leicht schräg stehenden Augen mit den hellbraunen Pupillen lag etwas derart Hartes, Brutales, dass der Junge, der sie zufälligerweise anblickte, entsetzt zurückwich und dann machte, dass er um die Ecke kam. Sie lächelte deswegen. Es wirkte so kalt wie der Wind, der hier oben pfiff.
Zamorra! Ja, er war zur Geburtstagsfeier ihrer Mutter erschienen. Diane hatte beschlossen, ihm den Garaus zu machen. An ihre Hexenschwestern Lavinia und Vanessa, ebenfalls anwesend, war der Befehl ergangen, den Hexenblitz zu beschwören und den Meister des Übersinnlichen damit niederzustrecken. Es war schief gegangen. Fast zu spät, aber gerade noch rechtzeitig, hatte Diane bemerkt, dass auch gegen sie eine tödliche Intrige im Gang war. Stygia, die Herrin, hatte Vanessa, Lavinia und der vierten Hexe im Reigen, Eamonna, befohlen, Diane auf der Geburtstagsfeier zu beseitigen. Eamonna hatte es ihr erzählt, bevor sie gestorben war. Nun, auch Lavinia und Vanessa waren tot und Diane, die nach Paris ausgewichen - nicht geflohen - war, galt als Hauptverdächtige für alle drei Morde.(Die dramatischen Ereignisse sind in Zamorra 925: »Geburt eines Dämons« nachzulesen)
Dabei hat doch die gute Eamonna Lavinia und Vanessa auf dem Gewissen.
Diane grinste innerlich.
Wahrscheinlich hat Stygia die Drei zu einer Art Wettbewerb veranlasst. Diejenige, die mich tötet, wird neue Hexenkönigin von Feurs. Eamonna war schon immer schlau. Wahrscheinlich hat sie zuerst einmal die lästige Konkurrenz beseitigt.
Diane wusste im Moment nicht, was sie tun sollte. Nachdem ihr Vater von seinen Weltreisen eine Hexenmaske aus dem Niger mitgebracht hatte, war das sensible Mädchen bereits sehr jung mit der Göttin der Friedhöfe, Naiberi, in Kontakt gekommen und zur Hexe mutiert. Tara Maga, eine Geschäftspartnerin ihrer Mutter und Oberhexe des Hexenzirkels von Feurs, war auf Diane aufmerksam geworden und hatte die junge Hexe in den Zirkel aufgenommen. Mit dem Ergebnis, dass Diane sie getötet und ihr Machtinstrument, das Hexendiadem von Feurs, an sich genommen hatte. Damit war sie die neue Oberhexe. Doch Stygia passte das anscheinend nicht.
Dabei kann ich mir nicht richtig vorstellen, was die Herrin gegen mich hat. Ist es, weil ich ihr ein paar Mal widersprochen habe? Oder fürchtet sie die Macht, die ich durch das Diadem ausüben kann? Das kann nicht sein. Sie ist doch die Herrin der Hölle und mir vielfach überlegen. Oder?
Fast zärtlich strich Diane über das grüne, aus den Blättern des Großen
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