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Tonio

Tonio

Titel: Tonio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.f.th. van Der Heijden
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Wochenbett.‹ Leicht schwindlig von der schnellen Erledigung stand ich kurz danach draußen an der Gracht. Irgendwas stimmte nicht …«
    »Adri, ich hab doch gesagt , ich weiß, wie es ausging.«
    »Ja, lach du nur. Es betraf in erster Linie dich.«
    »Wie konntest du nur …«
    »Genau, so was passiert einem als frischgebackenem Vater. Verstand futsch. Ich machte das Mäppchen auf. Van der Heijden, Tonio, geboren am 15. Juni 1988, gemeldet am 16. Juni 1988. Stimmte alles. Die dumme Kuh. Hätte sie bloß nach einem zweiten Vornamen gefragt , dann hätte ich‘s hingekriegt.«
    »Warum bist du nicht zurückgegangen? Du hättest doch sagen können: Da muß noch was dazwischen. Rotenstreich. Ohne Bindestrich. Oder, Adri?«
    Seine Stimme klang nun weich und kindlich. Jetzt fand er die Geschichte nicht mehr lustig. Seine Hände hatte er in das zusammengerollte Tuch geschoben wie in einen Muff.
    »Ich hab mich nicht getraut. Wenn sie diesen sogenannten zweiten Vornamen nachträglich hörten … ich hatte Angst, dann würden sie erst recht argwöhnisch.«
    »Pech.«
    »Ich mußte erst mal gründlich darüber nachdenken, wie ich weiter vorgehen sollte. Vielleicht doch ein Brief an die Königin.«
    »Mama fand es bestimmt nicht so gut.«
    »Ich zurück ins Krankenhaus. Auf der Entbindungsstation gab sie dir gerade die Brust. Sie sah mich an mit … du kennst das doch … diesen großen braunen, erwartungsvollen Augen, die so aussehen, als wüßten sie, was passiert. Daß ihr seltener Familienname wieder für mindestens eine Generation gerettet ist.«
    Tonio schüttelte langsam den Kopf und schüttelte ihn noch einmal. Wenn ich einen Funken Schadenfreude bei ihm spürte, dann galt sie mir, nicht seiner Mutter.
    »Ich hab Mama erzählt, was schiefgelaufen war. Glückliches Wochenbett? Alles andere als ein glückliches Wochenbett.«
    »Adri, ich kapier nicht, daß du so blöd sein kannst.«
6
     
    Es wird Zeit, daß ich ihm nachträglich seinen zweiten Namen beschaffe.

 
    Erstes Buch
     
    Schwarzer Pfingstsonntag

 
    KAPITEL I
     
    Hundert Tage
     
1
     
    Die Türklingel, zweimal: erst kurz und zögernd, dann lang und nachdrücklich.
    Das gellende Geräusch jagte den Norwegischen Waldkatzen jedesmal wieder einen fürchterlichen Schreck ein und ließ sie nach allen Richtungen davonstieben, um sich zu retten – ein Grund für Mirjam, an Wochentagen morgens, wenn der Postbote mit einem Päckchen klingeln konnte, die elektrische Klingel oft abzustellen. Die Katzen gingen vor. Heute, am Sonntag, war die Möglichkeit, daß jemand klingelte, so gut wie Null, zumal am frühen Morgen, also hatte sie den Kontakt nicht unterbrochen.
    Das erste Klingeln hörte sich an, als habe ein Finger keinen Halt auf dem Knopf gefunden. Für die Katzen noch immer laut genug, die unterste Treppe hinaufzuflitzen. Sogar dort, wo ich mich befand, im Bett im zweiten Stock, konnte ich ihre kräftigen Pfoten auf den Stufen trappeln hören. Wahrscheinlich machten sie in der Treppenbiegung kurz halt, um nach dem zweiten, wesentlich lauteren Klingeln noch schneller nach oben zu rennen. Ihre Krallen kratzten über das Parkett im Flur der ersten Etage, worauf sie mit langen Sätzen die nächste Treppe in Angriff nahmen. Das Trommeln der Pfoten verstummte gleichzeitig mit dem Nachhall der Klingel, so daß Tygo und Tasja irgendwo auf halber Höhe der zweiten Treppe stehen mußten, die Ohren gespitzt, den buschigen Pelz gesträubt, gefaßt auf weitere Gewalt.
2
     
    Pfingstsonntag, 23. Mai 2010. Die Turmuhr der Obrechtkerk hatte kurz zuvor neun geschlagen. Das störende Glockengeläute, das die Gemeindemitglieder zum Gottesdienst rief, würde erst etwas später kommen, um Viertel vor elf. Klassische Sonntagmorgenruhe in Amsterdam Oud-Zuid.
    Ich lag auf dem Rücken im Bett. Das Kopfende der Matratze hatte ich mit der Fernbedienung in Leseposition gehoben. Die Vorhänge waren zur Seite geschoben, so daß ich von meinen Kissen aus sehen konnte, welch schöner Frühlingstag uns bevorstand. (Eine Zeitung hatte einen »frühsommerlichen Tag« vorhergesagt.) Die Sonne war noch hinter den hohen Häusern verborgen, doch deren Dachgesimse hoben sich messerscharf gegen einen schon jetzt tiefblauen Himmel ab. Wie sich aus der Struktur des herabströmenden Regens manchmal ableiten ließ, daß er den ganzen Tag lang fallen würde, so verriet der Himmel heute, daß er bis zum Abend wolkenlos sein würde.
    Weil die Luft, die durch die halb geöffnete Balkontür ins Schlafzimmer

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