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Tonio

Tonio

Titel: Tonio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.f.th. van Der Heijden
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Also, dazu hatten wir keine Lust. Ich wollte einfach aufs Einwohnermeldeamt gehen und sagen: ›Liebe Leute, hört her. Der neue Weltbürger heißt van der Heijden, Rufname Tonio, zweiter Vorname Rotenstreich. Vollständiger Name: Tonio Rotenstreich van der Heijden. Ohne Bindestrich.‹ Hauptsache, es stand erst mal auf dem Papier. Wenn es ein Mädchen geworden wäre, hätte es bis zur Hochzeit oder bis zum Tod den Nachnamen Rotenstreich van der Heijden führen können. Ein Junge hätte sogar noch seinen Kindern den Nachnamen Rotenstreich van der Heijden mitgeben können.«
    »Ohne Bindestrich. Ulkig.«
    » Falls sie darauf reinfallen würden. Am 16. Juni 1988, dem Tag nach deiner Geburt, ging ich zum Einwohnermeldeamt an der Herengracht. Mama und du, ihr wart noch im Krankenhaus …«
    »Im Slotervaart«, sagte Tonio, ein wenig abwesend. »Ich mußte im Brutkasten bleiben.«
    »Ja, wir hatten uns mal wieder was Minderwertiges andrehen lassen. Aber wir beschlossen, dich trotzdem zu behalten, also, am nächsten Tag … ich zur Herengracht. Siehst du mich da gehen, den stolzen jungen Vater?«
    » Jungen Vater?« Wieder flog das Noppentuch in die Luft. Diesmal landete der Lumpen, sich im Fall ausbreitend, auf meinem Kopf. »Ups. War wohl nix.«
    »Frischgebackener Vater dann eben. Wie du willst, du Wortklauber. Ich war morgens noch bei Mama auf der Entbindungsstation gewesen. Sie hatte mir bestimmt zwanzigmal auf die Seele gebunden, ich sollte versuchen, irgendwie … egal, wie … den Namen Rotenstreich auf den Geburtsschein zu kriegen.«
    »Ohne Bindestrich.«
    »Ich ging die Leidsestraat runter und über die Herengracht und sagte mir immer wieder vor: ›Tonio Rotenstreich van derHeijden.‹ Ich fand, es klang immer schöner. Von wegen zwei Vornamen – ein doppelter Familienname. Es hatte etwas Adliges. Ich, Vater eines Sohnes? Eines blaublütigen Prinzen, oho. Da, der Eingang zum Einwohnermeldeamt. Ich die Stufen hoch. Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen. Ich würde es so achtlos wie möglich von mir geben, als hätte ich noch anderes im Kopf. ›Ich möchte die Geburt eines Sohnes anzeigen. Tonio Rotenstreich van der Heijden. Gestern, ja, fünfzehnter Juni. Zehn Uhr sechzehn.‹ Wenn dieser Typ vom Einwohnermeldeamt fragen würde: ›Pardon, ist das ein Name, Rotenstreich?‹, dann würde ich antworten: ›Ja, in der Ukraine, wo mein Schwiegervater herkommt, war das vor dem Krieg ein häufiger Vorname.‹ Kam nur drauf an, den richtigen beiläufigen Ton anzuschlagen.«
    Tonio lachte. »Ich glaub, ich weiß schon, wie es ausgegangen ist.« Er zog das Tuch hinter seinem Nacken hervor und drückte den kühlen Stoff an seine glühenden Ohren, die von Schläfrigkeit zeugten.
    »Nicht so voreilig, mein Freund. Es lief alles anders, als ich mir vorgestellt hatte, ja. Hinter der Tür, wo ich hinmußte, war eine Art Vorraum, einen Quadratmeter groß, mit einem Plastikstuhl. Kein Mensch konnte sich da auch nur umdrehen. Sonst war da noch ein kurzer Tresen mit einem Computer drauf und …«
    »Gab‘s damals schon Computer?«
    »Ja, irre, was? Computer, schon vor deiner Geburt. Antike Dinger mit Tretantrieb.«
    »Und wieso weißt du dann immer noch nicht, wie …«
    »Irgendwann darfst du es mir beibringen. Hinter dem Computer auf dem Einwohnermeldeamt saß eine junge Frau, die mich freundlich begrüßte. Wahrheitsgemäß sagte ich: ›Ich bin gestern Vater eines Sohnes geworden, und jetzt …‹ Es war die Zeit, als Beamte noch dazu angehalten wurden, den Bürger so zu behandeln, daß er sich wohl fühlte, also rief sie: ›Oh, wie schö-h-ön ! Wie soll er denn heißen?‹Ich dachte, der offizielle Teil der Anmeldung kommt noch, also habe ich, wieder wahrheitsgemäß, geantwortet … na, was glaubst, was ich geantwortet habe?«
    Tonio senkte seine Stimme und sagte verträumt: »Tonio.«
    »Und die junge Frau wieder, beinahe singend: ›Was für ein schöner Na-h-ame !‹ Es hätte mir auffallen müssen, daß ihre Fingernägel über die Tasten flitzten, aber ich war nun mal ein nervöser, junger … ähm … frischgebackener Vater und habe nicht aufgepaßt. Sie warf einen flüchtigen Blick in den Paß, den ich ihr hingelegt hatte, und tippte noch ein bißchen rum. Der Drucker spuckte ein Blatt Papier aus, auf den sie den Stempel der Gemeinde knallte. Sie faltete es zusammen, schob es in eine Plastikhülle, sah mich strahlend an und sagte: ›Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau und natürlich dem Baby Tonio ein glückliches

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