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Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition)

Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition)

Titel: Tore nach Thulien 1 : Dunkle Gassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kohlmeyer
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seine Beine zurückkehrte. Er richtete sich vollends auf und sah sich tief durchatmend um. Tristan mochte die kleine, halb verfallene Kapelle. Es kamen nicht viele Leute hier her und wenn, dann hielten sie sich nicht lange auf. Ein Stoßgebet und vielleicht ein kleines Opfer, mehr wurde diesem Leuenburger Kleinod nicht mehr gegönnt, und umso mehr gefiel im der Gedanke, hier seine seltenen Andachten der Herrin zu verbringen.
          Die ersten Strahlen der Sonne traten von Osten her kommend über die Zinnen der Stadtmauer und tauchten den Innenhof der Kapelle in ein sanftes, graugrünes Licht. Der Raureif auf den bemoosten Steinen glitzerte und auch auf den kleinen, silbernen Fäden der Spinnennetze spiegelten sich die Strahlen der Sonne wider. Das erste Licht des Tages war für Tristan der Beginn seines Dienstes. Mit einem letzten Blick auf die Kapelle drehte sich der junge Leutnant um und machte sich auf den Weg zurück zur Garnison. Heute in sechs Tagen würde die Reise in den Norden beginnen und bis dahin gab es noch vieles zu organisieren.
    Er lief den schmalen, gewunden Pfad den kleinen Hang hinauf und stand dann fast direkt vor dem Grünwalder Tor. Man hatte die Stadtmauer damals direkt oberhalb der kleinen Grotte errichtet und das Tor am nördlichen Ende des Hanges platziert. Früher war die Kapelle ein belebter Ort gewesen, doch nach Vollendung des herzoglichen Domes im Scherbenviertel hatte sie mehr und mehr an Bedeutung verloren. Das Ganze lag nun schon über einhundert Jahre zurück und heute erinnerte nicht mehr viel an die Blütezeit dieses kleinen Gotteshauses. Nur dem aufmerksamen Beobachter oder einem regelmäßigen Gast mochte auffallen, dass an jedem Tag und zu jeder Jahreszeit ein kleines Windlicht im Fensterbogen hinter dem Altar brannte, sorgsam gehegt und gepflegt. Ein stiller Verehrer des alten Gemäuers oder eine alte, hoffnungsvolle Mahnwache mochten hier am Werke sein. Für Tristan jedenfalls war die alte Kapelle ein Ort der Ruhe, ein Ort des Friedens und immer, wenn eine wichtige Entscheidung in seinem Leben bevorstand, kam er hierher.
     
          Es dauerte nicht lange und Tristan hatte die Garnison im Osten der Stadt erreicht. Der alte Bau ragte über die ihn umgebenden Häuser heraus und trotz seiner Größe passte er sich Dank des Fachwerks hervorragend in den Stadtteil ein. Am Tor vollzog sich gerade der Wachwechsel und Tristan trat mit einem kurzen Nicken in den Innenhof. Noch war es weitgehend still und nur in wenigen Fenstern flackerte Kerzenschein. Das würde sich bald ändern. Sobald der Weckruf durch den Hof hallte, würden die Rekruten und Soldaten ihre Kammern verlassen und in hektische Betriebsamkeit ausbrechen. Der Morgenappell war das erste Zeremoniell am Tag und die Waibel würden gegenüber ihren Vorgesetzten die Vollzähligkeit der Truppe melden. Tristan war bis zu seiner Abreise vom Morgenappell befreit und so beschloss er, kurz seine Morgentoilette zu erledigen und dann in den Zeughof zu gehen. Dort hatte er in den letzten Tagen die Vorbereitungen für die Reise getroffen und allerlei Rüstzeug, Werkzeug und Nahrungsmittel heranschaffen lassen. Ein Fuhrwerk, für längere Reisen ausgelegt, stand auch schon bereit und wurde von Handwerkern geprüft, umgebaut und instandgesetzt. Alles in allem war schon einiges geschehen, doch stand immer noch genug aus und Tristan hoffte, dass er alles bis zum Tag der Abreise würde organisieren können.
          Am meisten gespannt war er auf die siedlungswilligen Zivilisten. Herzog Grodwig von Leuenburg hatte einen Aufruf quer durch das Land kundtun lassen, in dem er für sein Siedlungsprojekt im Wilderland warb. Der Aufruf war rein freiwilliger Natur und jeder Interessierte konnte ihm Folge leisten.
          Das Siedlungsprojekt war Teil einer groß angelegten Kampagne des Herzogs, den Einfluss Leuenburgs bei der Krone zu vergrößern und den bisher wilden und unzivilisierten Landstrich im Norden von Thulien zu bevölkern. Der Herzog versprach sich damit offenbar eine langfristige wirtschaftliche und militärische Präsenz im Wilderland und selbstverständlich hatten es ihm auch die dortigen Rohstoffvorkommen und Bodenschätze angetan. Dieses ehrgeizige Projekt würde in mehreren Phasen ablaufen und Tristan sollte dabei mit seinem Gefolge die Speerspitze darstellen. Einen sicheren und gangbaren Weg auskundschaften, Siedlungsland erschließen und einen ersten Außenposten errichten, so lautete sein Auftrag, und seit

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