Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition)
Flüchtlinge, hatten sich das Ende des Passes als Ziel gesetzt und stets daran festgehalten. Für sie waren die Berge, der Schnee und die Kälte weitaus größere Feinde als die Hellen gewesen, und über weite Strecken auf dem Pass mag das auch zugetroffen haben, doch hatten sie dabei vergessen, was sie dazu getrieben hatte, diese Strapazen auf sich zu nehmen. Für sie war das Leuenburger Becken das Ende des Schreckens und von nun an konnte es, zumindest in ihren Augen, nur noch besser werden. Liam war da anderer Meinung und er wusste, dass es Wanhold genauso erging. Der Feind wollte mit ziemlicher Sicherheit verhindern, dass Leuenburg gewarnt wurde und genau deshalb würde die Jagd jetzt erst so richtig beginnen. Je näher Liam und die Anderen ihrem Ziel kamen, umso gefährlicher und tödlicher würde ihre Reise von nun an werden. Die Hellen würden jetzt alles daran setzen, sie aufzuhalten und was das bedeutete, wusste er. Nicht zuletzt deshalb mussten sie ihre Aufgabe hier so gut wie irgend möglich erfüllen. Ihr Leben und das Leben der Anderen hingen davon ab.
>> Ich übernehme die erste Wache! << , sagte Gerling entschlossen und machte es sich im Unterholz des Wäldchens gemütlich.
Liam hatte nichts dagegen, im Gegenteil. Er war müde und ein bisschen Schlaf würde ihm gut tun. Fernlug war bei den Pferden und Gerling in Lauerstellung. Für ihn blieb derzeit nichts zu tun, und nachdem sie sich kein Feuer leisten konnten, lehnte er sich mit dem Rücken an einen Baum und streckte die Füße von sich. Fast augenblicklich schlief er ein.
Unruhig und voller Ängste waren seine Träume. Liam fand sich darin in einem großen Irrgarten wieder. Die Wege säumten dichte, dunkle Hecken und knapp über dem mit feuchtem Laub bedeckten Boden hing ein trüber, weißer Nebelschleier. Es war unheimlich und kalt und Liam suchte hastig nach dem Ausgang. Er spürte, dass ihm etwas folgte, doch konnte er nicht sagen, was es war. Manchmal überkam ihn Panik und er beschleunigte rasch seine Schritte. Dann aber wähnt er sich wieder in Sicherheit und gönnte sich etwas Ruhe. Es war ein ständiges Laufen und Verschnaufen, ein Hasten und Verstecken, ein Spähen und Lauern. Einmal glaubte er, hinter sich einen Schatten zu sehen und rannte schnell um die nächste Ecke, in eine andere Richtung. Immer wieder sah er sich verzweifelt um und seine Augen suchten rastlos nach dem Ausgang. Irgendwann jedoch war er der Meinung, dass er niemals wieder aus diesem verfluchten Geflecht aus Hecken und Nebel herausfinden würde. Ermattet und müde setzte er sich auf den kalten Boden und vergrub sein Gesicht tief in den Händen. Er wusste nicht, wie lange er so dagesessen hatte, doch plötzlich raschelte es hinter ihm und er hielt den Atem an. Auf der anderen Seite der Hecke bewegte sich etwas! Es scharrte mit den Füßen und schnaufte lautstark in seine Richtung. Gleich würde es ihn haben! Wilde Panik überfiel Liam und blindlings, ohne darüber nachzudenken, rannte er los. Ihm war egal wohin, ob dem Ausgang näher oder nicht, Hauptsache weg von diesem unheimlichen Verfolger! Liam rannte, bis ihn die Lungen stachen und sein Herz fast bis zum Halse schlug. In seinen Füßen hämmerte das Blut förmlich durch die Adern und kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Plötzlich strauchelte er und sein linker Fuß knickte weg. Angsterfüllt versuchte er, das Gleichgewicht zu halten, doch es gelang ihm nicht. Er schlug hart mit dem Gesicht auf den Boden, und Wurzeln und Dreck marterten seine bereits zerschundene Haut. Benommen und blutverschmiert drehte er sich auf den Rücken und erstarrte. Über ihm ragte eine helle, weiße Gestalt und griff nach ihm. Im nächsten Moment wachte er auf.
Stumm schlug er die Augen auf. Er wollte rufen, doch irgendetwas in ihm hatte ihn zurückgehalten. Zunächst glaubte er, noch immer auf dem belaubten, kalten Boden zu liegen und beinahe rechnete er damit, die helle Gestalt aus dem Traum wirklich drohend über sich zu sehen. Dem Impuls, in die Krone des Baumes zu blicken widerstand er dann jedoch und im nächsten Moment wusste er auch wieder, wo er war. Er lehnte mit dem Körper am selben Baum wie noch vor wenigen Augenblicken und das Wäldchen hatte sich auch nicht verändert. Ihn fröstelte zwar etwas, aber ohne Feuer war das nur natürlich. Liam streckte sich und sah sich um. Alles schien normal, und dennoch hatte er sofort das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Es dauerte eine
Weitere Kostenlose Bücher