Tortenschlacht
Outpost Cinema und der Nicolson Library. Um uns herum drahtige schwarze Marines in engen T-Shirts, übernächtigte Schwule in Lederklamotten, die auf eben diese Marines scharf sind, und ein paar Freizeitcowboys aus dem Allgäu, die, soweit ich das verstanden habe, mit einer bayerischen Rodeoshow nach Polen unterwegs sind. Draußen cruisen die ersten morgendlichen Straßenkreuzer über die Clayallee, als wären sie auf dem Hollywood Drive, und überhaupt kommt man sich vor wie in einer in den märkischen Sand versetzten Garnisonsstadt der US -Army. Ein Eindruck, der so falsch nicht ist, tatsächlich befindet sich hier das Headquarter der amerikanischen Truppen in Berlin – das hier ist Zehlendorf und Amiland zugleich.
»Wirste das nicht vermissen?«, fragt Hünerbein kauend, während ihm das Fett am Kinn herunterläuft, »ich meine, wenn die Alliierten nun bald abziehen aus Berlin?«
»Wieso?«
»Na, wegen deiner amerikanischen Wurzeln.«
»Ich hab auch deutsche Wurzeln«, erwidere ich und trinke meinen Kaffee aus.
»Hat’s den Laden 1947 schon gegeben?«, erkundigt sich Hünerbein, aber woher soll ich das wissen. »Ich meine, vielleicht hat dein Vater hier auch schon Burger gegessen. Die sind ja wirklich lecker hier!« Er schmatzt und spült mit Cola nach. »Vielleicht hat er ja hier sogar deine Mutter kennengelernt. War die nicht auch Kellnerin?«
»Ja, aber in einem Münchner Biergarten«, erwidere ich, »und meinen Vater hat sie im Zug getroffen.«
»Nach Berlin«, vermutet Hünerbein.
»Nee, nach Paris.«
»Oh«, macht Hünerbein, »schon klar, die Stadt der Liebe.« Er ordert bei der studentischen Kellnerin, die hier fürs Kaffeenachschenken zuständig ist, noch ein paar Cranberry-Muffins. »Aber wie sind die dann nach Berlin gekommen?«
»Gar nicht«, erwidere ich. »Sergeant Waxman war in Heidelberg stationiert. Mutter ist nach Berlin geflüchtet, weil sie von ihm schwanger war – einem amerikanischen Besatzungssoldaten – skandalös war das damals, eine Schande. Vor allem in München.«
»Scheißkatholiken«, meint Hünerbein und schiebt mir ein paar Muffins rüber, »hier, schlag zu, zahlst schließlich alles du.«
Ich winke ab, bin pappsatt. Unglaublich, wie viel der Kollege essen kann.
»Und dich hat nie interessiert, wo dieser Waxman heute ist? Ich meine, er ist dein Vater – irgendwas musst du ja von ihm haben.«
Vermutlich zu viel, denke ich. Aber der Kerl kann mir gestohlen bleiben. Es war schlimm genug, dass Mutter ihm zeit ihres Lebens nachgetrauert hat – der flotte texanische Mark Allister Waxman war ihre erste und einzige Liebe. Sogar auf dem Totenbett hat sie noch auf seine Rückkehr gehofft – vergebens.
»Deine Mutter«, manchmal kann Hünerbein Gedanken lesen, »hat ihn nie gesucht?«
»Warum?« Ich zucke mit den Schultern. »Er hat sie verlassen.« Und vermutlich war es der Kummer darüber, der sie viel zu früh sterben ließ. »Wollten wir uns nicht über unseren Fall unterhalten?«
»Stimmt.« Hünerbein stochert sich ausgiebig in den Zähnen herum. »Das Dope kannst du jedenfalls nicht im Wagen behalten.«
»Vielleicht verticke ich es. Schon allein um deine Rechnung hier zu bezahlen.«
»Du musst deiner frechen Melanie mal ordentlich den Hintern versohlen.« Hünerbein, der Erziehungsberater. »Sonst kommt die noch auf die schiefe Bahn.« Er sieht auf die Armbanduhr. »In knapp zwei Stunden hast du übrigens einen Termin bei Beylich.«
»Der und seine Rapporte!«
»Ich finde, er arbeitet höchst effizient.«
Unsinn, denke ich, der Mann beschäftigt einen Haufen Leute und kommt selbst nie aus dem Büro. Was soll daran effizient sein?
»Wirst sehen«, meint Hünerbein, »irgendwann arbeiten wir genauso. Das ist die Zukunft!«
Das möge der Herr verhüten.
»Entschuldigst du mich bei ihm?«
»Ach!« Ich sehe Hünerbein an. »Du willst schwänzen.«
»Ich hab einen Termin bei Friedrichs.« Hünerbein schnippt ein paar Krümel über den Tisch. »In Königs Wusterhausen.«
»Dein neuer Freund?«
»Eifersüchtig?« Hünerbein grinst. »Ein guter Mann. Hat den richtigen Riecher. Und dich auf dem Kieker.«
»Ach!«
»Nun sag doch nicht immer ach!« Hünerbein bestellt noch zwei Vanilleshakes. »Ihr wart eben nicht gründlich genug. Im Transit war noch Dope. Ein Feld vom Arndt wurde zum Cannabisanbau missbraucht, und da zieht Kollege Friedrichs eben seine Schlüsse.«
»Ja, Arndt wollte mich um die Ernte bringen. Also bringe ich ihn um, stecke aus nicht
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