Wie im goldenen Kaefig
1. KAPITEL
Zeke Buchanan stand vom Frühstückstisch auf. “Hast du daran gedacht, dass die Mortons um sieben kommen, Marianne?”
Seine Frau sah nicht auf, sondern hielt den Blick auf ihre Kaffeetasse gesenkt.
“Ja, natürlich.” Nicht einmal jetzt, als er ihr die Hände auf die schmalen Schultern legte, hob sie den Kopf.
“Gut.” Er zögerte, dann küsste er sie auf die Stirn. “Ich werde vermutlich erst kurz vor sieben zu Hause sein. Vormittags fliege ich nach Stoke, um mir ein altes Fabrikgrundstück anzusehen. Aber ich müsste nachmittags wieder im Büro sein, falls du mich brauchst.”
Falls ich dich brauche, dachte sie verbittert. Natürlich brauche ich dic h, aber dieser Gedanke ist dir ja ganz fremd. Marianne nickte, ohne ihn anzusehen, um ihre Gefühle vor ihm zu verbergen.
„Tschüss, Marianne”, verabschiedete er sich mit kalter Stimme.
„Tschüss, Zeke”, antwortete sie ebenso kühl.
Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Marianne saß mindestens eine Minute lang ganz still da und hielt die Tränen zurück, die ihr heute allzu locker saßen.
Schließlich erhob sie sich und ging zum großen Südfenster, das beinahe die ganze Wand einnahm.
Der Blick war atemberaubend. Halb London lag ihr zu Füßen. Das Penthouse auf einem Etagenhaus mit Luxuswohnungen war vor über zwei Jahren, also bevor sie Zeke kennen gelernt hatte, für ihn persönlich gestaltet worden. Die Inneneinrichtung war der letzte Schrei, vom Wohnzimmer, das ganz in Blau und Gold gehalten war, bis zum Schlafzimmer mit dem dazugehörigen dekadenten Bad in Schwarz und Silber mit lauter Spiegelwänden. Marianne hasste es. Sie verabscheute die ganze Wohnung.
Seit sie vor etwa zwölf Monaten herausgefunden hatte, dass Liliane de Giraud, eine ehemalige Freundin von Zeke, die Einrichtung des Penthouse für ihn entworfen hatte, ekelte sie das gewagte Junggesellendomizil sogar an. Liliane war eine sehr erfolgreiche Rothaarige mit eisblauen Augen und heiß begehrte Innenarchitektin aller, die Rang und Namen hatten.
Marianne lehnte sich an den Fensterrahmen. Wie oft hatte sie Zeke gebeten, sich nach einer anderen Wohnung umzusehen. Immer hatte er sie mit einem Jetzt nicht, morgen, Schatz abgespeist. Hör damit auf! befahl sie sich jetzt, hob das Kinn und straffte resolut die Schultern. Sie und Zeke gingen gerade durch eine Krise, aber hatte sie nicht sogar den Tod ihrer Mutter vor vier Jahren erfolgreich überwunden? Da würde sie auch mit ihrer ersten Ehekrise fertig werden. Aber sie sehnte sich so sehr danach, mit ihrer Mutter oder einem anderen verständnisvollen Menschen zu sprechen. Manchmal hatte sie das Gefühl, sie könnte in diesem Elfenbeinturm, den Zeke ihr errichtet hatte und in dem sie von aller Welt abgeschnitten war, verrückt werden.
Beinahe wie bestellt klingelte in diesem Moment das Telefon. Marianne ließ es läuten, bis sich der Anrufbeantworter einschaltete. Meistens rief nur Zeke oder einer seiner Freunde oder Geschäftsfreunde an, und sie hatte keine Lust, mit einem von ihnen zu sprechen.
“Hallo, Marianne. Ich habe lange nichts von dir gehört. Hier spricht Pat, Patricia, falls du es noch nicht erraten hast. Ich bin gerade für einige Tage in der Stadt und dachte, ich rufe mal … “
Marianne nahm ab und sagte atemlos: “Pat? O Pat. Wie herrlich, deine Stimme zu hören!”
“Ja? Du hättest jederzeit zum Hörer greifen und mich erreichen können, Annie”, antwortete Pat und lachte, um ihren Worten die Spitze zu nehmen.
Marianne schluckte. Ihre Freundin Pat war schon immer sehr direkt gewesen.
Deshalb waren sie und Zeke auch nie miteinander warm geworden. Und so, wie die Dinge zwischen ihr selbst und Zeke standen, hatte sie das Gefühl gehabt, ihren Mann zu hintergehen, wenn sie ihre Probleme mit anderen besprach. Aber das war nun vorbei. Nach allem, was gestern Abend geschehen war, brauchte sie deswegen keine Skrupel mehr zu hegen.
“Bist du in der Nähe?” fragte sie. “Können wir uns zum Essen treffen?”
“Ja, gern. Soll ich zu dir nach Hause kommen?”
“Nein, lass uns ausgehen. Auf meine Rechnung. Ein paar Blocks weiter ist ein tolles kleines französisches Lokal, ,Rochelle’s’ in der St. Martin Street. Passt es dir, wenn wir uns um zwölf dort treffen?”
“Fantastisch. Bis dann. Ach, und Annie …“
“Ja?”
“Geht’s dir gut? Ist alles okay?”
Marianne atmete tief durch und sagte dann leise: “Nein, ganz im Gegenteil, Pat.”
“Das habe ich mir gedacht. Bis um
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